Seit Jahren eine Reizfigur in der katholischen Kirche: Kardinal Rainer Maria Woelki. Foto: dpa/Oliver Berg

Weil bekannt geworden ist, dass Kardinal Woelki PR-Strategen eingesetzt hat, um in der Öffentlichkeit besser da zu stehen, sehen einige seiner Mitarbeitenden im Erzbistum das letzte Vertrauen verspielt.

Das Erzbistum Köln kommt nicht zur Ruhe. Mitarbeitende des Erzbistums Köln fordern nun einen Neuanfang mit „personellen und systemischen Veränderungen“. Nötig sei eine „ehrliche, echte Aufklärung und Ahndung von Missbrauch und Gewalt jeglicher Art mit staatlicher Unterstützung und professioneller Aufsicht“, heißt es in einer am Sonntag verbreiteten Stellungnahme. Macht müsse künftig geteilt und kontrolliert sowie bei Konflikten durch Fachleute professionell geklärt werden. „Die Priesterweihe allein darf kein Ausweis für Entscheidungsmacht mehr sein. Es zählt die berufliche Kompetenz.“

Unterzeichnet ist die Stellungnahme von 21 Personen, unter anderen von Pfarrern, Pastoral- und Gemeindereferentinnen sowie der Leitung der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) im Erzbistum.

Zeitung berichtet aus internen PR-Papieren

Seit der Rückkehr von Kardinal Rainer Maria Woelki aus seiner Auszeit hätten einige Mitarbeitende versucht, den Dialog mit ihm zu suchen. „Mit dem Bekanntwerden der PR-Strategien aber hat Kardinal Woelki sein letztes Vertrauen verbraucht. Die Krise hat nun einen nicht vorstellbaren Tiefpunkt erreicht, die auch die Stellungnahme von Generalvikar Guido Assmann in keiner Weise bewältigen kann.“

In der vergangenen Woche hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus internen Papieren von Woelkis PR-Beratern berichtet, die sich unter anderem mit der Frage „Wie ‚überlebt’ der Kardinal?“ beschäftigt hätten. Laut Zeitung rieten die Fachleute Woelki und seinem früheren Generalvikar Markus Hofmann, den Betroffenenbeirat des Erzbistums auf ihre Linie zu bringen, was einen Gutachter-Wechsel im Oktober 2020 anging. So sollten die beiden in einer anstehenden Sitzung mit den Betroffenen „Emotionen“ zeigen und „Joker“ in der Hinterhand haben, etwa das Angebot, sich für zügigere Anerkennungszahlungen an Missbrauchsbetroffene einzusetzen.

Kritik von ranghohen Kirchenvertretern

Auf die Berichterstattung folgte der Vorwurf der Instrumentalisierung von Betroffenen. Dem hielt Generalvikar Assmann entgegen, die Perspektive der Betroffenen sei für die Erzdiözese „immer und ausschließlich“ handlungsleitend gewesen. Es habe nie das Ziel gegeben, Betroffene „zu einem bestimmten Stimmverhalten zu animieren“, und es sei nie Druck ausgeübt worden.

Der Bericht hatte Kritik auch von ranghohen Kirchenvertretern hervorgerufen, etwa von Stadtdechanten. Der Remscheider Stadtdechant Thomas Kaster verlangte am Samstag auf WDR 5 ein klares Wort des Papstes zu Woelki. Die Situation sei „quälend“. Franziskus müsse auch die aktuellen Vorgänge in Betracht ziehen. Die Vertrauensgrundlage sei zerstört. Der Papst hatte Woelki vergangenen Herbst in eine mehrmonatige Auszeit geschickt und ihn später aufgefordert, seinen Rücktritt anzubieten. Über den Amtsverzicht muss der Papst noch entscheiden.

Unterzeichner sehen sich instrumentalisiert

Auch die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Stellungnahme von Sonntag sehen eine Instrumentalisierung: „Es war und ist nicht zu erkennen, dass die Betroffenenperspektive handlungsleitend war und ist.“ Sie selbst fühlten sich ebenfalls in unterschiedlichen Kontexten „benutzt und bisweilen auch instrumentalisiert“ und gerieten durchaus auch in Loyalitätskonflikte.

„Die Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise in unserem Bistum ist an einem neuen Tiefpunkt angelangt. So kann keine Kultur der Offenheit, Authentizität und Transparenz entstehen“, erklärte die Sprecherin des Berufsverbandes der Pastoralreferent*innen, Regina Oediger-Spinrath. Die Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt sagte, es bedürfe einer „schonungslosen und unabhängigen Aufarbeitung des Umgangs mit spirituellem Missbrauch und sexueller Gewalt durch staatliche Stellen“.