Scholz und Erdogan bei ihrem Treffen in Istanbul Foto: imago/Guido /Bergmann

Deutschland und die Türkei wollen enger zusammenarbeiten, der Kanzler stimmt beim Besuch in Istanbul etwa der Lieferung von Eurofighter-Jets zu. Widersprüche gibt es beim Nahostkonflikt und der Migration.

Lange hakte es, aber jetzt kommt Bewegung in ein großes türkisches Rüstungsprojekt: Ankara kann mit der Lieferung von Eurofighter-Kampfjets rechnen. Zunächst soll es um 40 Flugzeuge gehen. Es sei „selbstverständlich“, dass der Nato-Partner Türkei deutsche Waffen erhält, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag in Istanbul nach seinem Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

 

Bisher hatte es in Berlin Vorbehalte gegen die Lieferung gegeben. Deutschland muss als einer von vier Partnern des Eurofighter-Konsortiums einem Export zustimmen. Die anderen Partner Großbritannien, Spanien und Italien meldeten keine Bedenken. Scholz machte zwar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan keine ausdrückliche Zusage. Er verwies jedoch auf Verkaufsgespräche, die „erst am Anfang stehen“, aber von Großbritannien mit der Türkei „vorangetrieben werden“. Erdogan zeigte sich zufrieden und sagte, man wolle die Probleme der Vergangenheit bei Rüstungslieferungen „endlich hinter uns lassen“. Dabei schätze er „die Bemühungen meines verehrten Freundes Scholz sehr“, so Erdogan.

Streitpunkt: Visa-Erleichterungen

Nach der völkerrechtswidrigen Invasion der Türkei in Nordsyrien 2016 hatte die damalige Bundesregierung die Rüstungslieferungen an Ankara deutlich zurückgefahren. Die Waffenexporte waren auch wegen der immer schlechteren Menschenrechtslage in der Türkei und dem zunehmend aggressiven Kurs Erdogans gegenüber dem Nachbar und Nato-Partner Griechenland umstritten. Der türkische Staatschef deutete eine militärische Besetzung der zu Griechenland gehörenden Inseln in der östlichen Ägäis an und drohte sogar damit, Raketen auf die griechische Hauptstadt Athen abzufeuern. Seit dem vergangenen Jahr hat sich das Verhältnis der Nachbarn allerdings merklich entspannt. Auch dies dürfte die Bundesregierung dazu bewogen haben, jetzt wieder mehr Rüstungsexporte in die Türkei zu genehmigen, darunter die Lieferung von Torpedos und Lenkflugkörpern.

Bei dem für Deutschland besonders wichtigen Thema Migration scheint es allerdings keine konkreten Ergebnisse zu geben. In Deutschland halten sich fast 16 000 ausreisepflichtige türkische Staatsbürger auf. Sie hatten Asyl beantragt, aber keinen Schutzstatus erhalten. Mehrheitlich handelt es sich um Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Ob und in welchem Zeitraum die Türkei diese Menschen zurücknimmt, ist offenbar weiter unklar.

Aus türkischer Sicht ist das Thema Migration eng mit dem Wunsch nach Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger verknüpft. Die EU hatte bereits 2016 im sogenannten Flüchtlingsdeal solche Reiseerleichterungen zugesagt, ihre Umsetzung aber an konkrete Reformschritte in der Türkei geknüpft. Dazu gehört vor allem die Entschärfung der Anti-Terror-Gesetze, die zur Verfolgung von Regierungskritikern instrumentalisiert werden. Scholz machte zu der Visa-Frage in Istanbul keine konkreten Zusagen. Er kündigte aber an, Deutschland werde die Visa-Vergabe beschleunigen.

Hamas-Führer in Türkei empfangen

Die gemeinsame Pressekonferenz trägt aber auch die Gegensätze in der Bewertung des Nahostkonflikts zutage. Erdogan wiederholte seinen Vorwurf, Israel betreibe im Gazastreifen einen „Völkermord“. Der Kanzler konterte: „Deutschland hat nicht die Einschätzung, dass der Vorwurf des Völkermordes gerechtfertigt ist“. Israel habe das Recht zur Selbstverteidigung, müsse sich aber natürlich an das Völkerrecht halten.

Erdogan bezeichnet die islamistische Hamas, die das Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel geplant und ausgeführt hat, als „Befreiungsbewegung“. Israel sieht er dagegen als „Terrorstaat“. Führende Hamas-Funktionäre haben türkische Pässe und residieren in dem Nato-Land. Wenige Stunden vor der Ankunft des Bundeskanzlers in Istanbul setzte Erdogan noch ein Zeichen: Sein Außenminister Hakan Fidan empfing Vertreter des Politbüros der Hamas in Istanbul.