In der Lobby des Trump-Towers standen Donald Trump (links) und Kanye West bereits Seite an Seite. Foto: BLOOMBERG POOL

Auf den ersten Blick sind Rapper Kanye West und US-Präsident Donald Trump ein ungleiches Paar. Doch die beiden teilen weit mehr als ihre Liebe zu Twitter. West könnte nun bald im Weißen Haus auftauchen.

New York - Irgendwann im vergangenen Mai hatte Kanye West offenbar die Schnauze voll von Social Media, von all dem Lärm und kleinlichen Hin und Her im digitalen Äther. Er löschte seine Konten auf Twitter und Instagram, tauchte ab und ließ Millionen Fans erst einmal ratlos zurück. Aber seit zwei Wochen tippt der glatzköpfige Rapper wieder eifrig ins Handy und legt mit längeren Video-Interviews nach. Schleusentore auf, es geht wieder los.

Bei vielen Dingen, die Kanye West so von sich gibt, muss man erst einmal fragen: Meint er das ernst? Will er eigentlich etwas anderes sagen? Ist er wirklich so selbstverliebt? Will er Witze machen - oder vielleicht Schlagzeilen? Dass seine Aussagen dann und wann ziemlich kryptisch daherkommen, macht die Sache nicht leichter. Auch sein Interview mit der Klatsch-Website TMZ löste nun eine Mischung aus Empörung, Kopfschütteln und Fragezeichen aus.

West rudert wieder zurück

400 Jahre Sklaverei, das „klingt nach einer eigenen Entscheidung“, sagte der Afroamerikaner den beiden Reportern. Auf ihn wirke Sklaverei wie ein „geistiges Gefängnis“. Dann verstolperte er sich in eine eher noch verwirrendere Erklärung, als er die massenhafte Verschleppung und Ausbeutung von Schwarzen mit dem Holocaust verglich. Beide Opfergruppen, Schwarze und Juden, seien - auch im übertragenen Sinn - gefangen gewesen. Auf Twitter schäumte es, als die Passage sich ihren Weg auf Millionen Smartphones gebahnt hatte.

Der leidenschaftlichen Gegenrede eines schwarzen TMZ-Mitarbeiters dürfte mitunter zu verdanken sein, dass West nachträglich etwas auf die Bremse trat. „Ich weiß, dass Sklaven nicht in freiem Willen in Ketten gelegt und auf ein Boot geladen wurden“, twitterte er. Es sei ihm in dem Kommentar um „geistige Versklavung“ gegangen und darum, dass Sklaven eben über Jahrhunderte Sklaven blieben, „obwohl die Zahlen für uns sprachen“ - was immer er damit auch meinte. Was Kanye West denkt, weiß am Ende letztlich nur Kanye West.

Sie teilen sich die „Drachen-Energie“

Für gemischte Gefühle sorgt auch Wests Kuschelei mit US-Präsident Donald Trump, für den er nun erneut eine Lanze gebrochen hat. „Er hat die Fähigkeit zu tun, was niemand dir zugetraut hätte - das Unmögliche“, sagt West in einem Videoclip zu seinem neuen Titel „Ye vs. The People“. In dem Song feiert er Trumps Wahlkampf-Slogan „Make America Great Again“, vorher hatte er den Republikaner als „Bruder“ bezeichnet, der Wests „Drachen-Energie“ teilt.

Lob von so hoher Stelle ist Musik in Trumps Ohren, dessen Antwort nicht lange auf sich warten ließ: West leiste einen „großen Beitrag“ für die „schwarze Gemeinde“, twitterte Trump. „Danke Kanye, sehr cool!“ Die beiden Männer, die sich in ihren Twitter-Tiraden gegenseitig in nichts nachstehen, scheinen sich verbrüdert zu haben. Und auch beim Präsidenten weiß man ja nicht immer, was genau der Mann eigentlich denkt und will.

Kommt es zum „Kanye-Gipfel“ im Weißen Haus?

Unter Prominenten steht West mit seiner Unterstützung für Trump ziemlich allein da. Andere Künstler gingen symbolisch auf Distanz: Drake, Rihanna, Ariana Grande, Kendrick Lamar, Justin Bieber, John Legend, The Weeknd und andere Musiker klickten Medienberichten zufolge bei Wests Profil auf den „Unfollow“-Button und entzogen ihm ein Stück Social-Media-Liebe. An seinen Plattenverkäufen, Streaming-Zahlen und den immer noch gut 28 Millionen Followern dürfte das kaum rütteln. West sorgt für Gesprächsstoff und hält sich an die Faustregel: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold.

Am Ende könnte seine Nähe zu Trump dem Rapper sogar einen Auftrag im Weißen Haus einbringen. Dort könnten dem Magazin „Politico“ zufolge bald Künstler und Athleten den Präsidenten treffen, um gemeinsam über Rassismus zu beraten, die Website spricht von einem „Kanye-Gipfel“. Die beiden Männer standen schon einmal Seite an Seite im New Yorker Trump Tower.