In dieser Pension im Erzgebirge fanden die Ermittler 2013 Leichenteile. Foto: dpa

Der Bundesgerichtshof befasst sich in letzter Instanz mit einem bizarren Fall. Ein Kripobeamter aus Sachsen hatte 2013 einen Geschäftsmann aus Hannover getötet und die Leiche zerstückelt – mit Einverständnis des Opfers.

Dresden - Die Gimmlitz ist ein 25 Kilometer langes Flüsschen in Ostsachsen. Sie hat dem Tal, durch das sie mäandert, ihren Namen gegeben. In der Region ist das Gimmlitztal für seine Mühlen berühmt, überregional hat es im November 2013 traurige Bekanntheit erlangt. Da hatte ein Kriminalbeamter aus Sachsen im Gimmlitztal einen Geschäftsmann aus Hannover getötet und die Leiche zerstückelt. Am Mittwoch nimmt sich der Bundesgerichtshof (BGH) des Falls an.

Es ist ein spektakulärer Fall, der in die Abgründe der menschlichen Existenz führt. Ein Fall, in dem es um Kannibalismus geht, um den Wunsch zu sterben und um perverse Fantasien. Kein Wunder, dass die Berichterstattung über den Prozess am Landgericht Dresden viel Raum eingenommen hat. Die Angelegenheit ist aber auch ein juristischer Leckerbissen. Die Dresdener Richter haben den ehemaligen Mitarbeiter des Landeskriminalamts wegen Mordes verurteilt – zu achteinhalb Jahren Haft. So etwas sieht das Gesetz nicht vor. Auf Mord steht lebenslang.

Täter und Opfer hatten sich im Internet kennen gelernt

Es gehört zu den Absonderlichkeiten dieses Falls, dass schon die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht nicht wollte, dass der Ex-Polizist für immer hinter Gittern verschwindet. Zweifel daran, dass er den Geschäftsmann getötet hat, hatten die Ankläger allerdings auch nicht. Täter und Opfer hatten sich im Internet kennengelernt, in einem sogenannten Kannibalen-Forum. Das spätere Opfer suchte seit Jahren jemanden, der ihn „schlachtet“ und später verspeist. Der Täter träumte davon, eine Leiche zu zerstückeln.

Chatprotokolle und Zeugenaussagen hatten die Wünsche der Beteiligten belegt, die Todesursache blieb unklar. Ob der Mann aus Hannover erstickte oder verblutete, das konnten auch fünf Sachverständige und 23 Zeugen nicht klären. Das Gericht wollte der Verteidigung nicht folgen. Die hatte erklärt, das Opfer habe sich mittels Flaschenzug und Fernbedienung ins Jenseits befördert. Das Gericht glaubte an Mord und sah das Mordmerkmal „Befriedigung des Geschlechtstriebs“ als erfüllt an. Zudem habe der Ex-Polizist getötet, um eine weitere Straftat zu ermöglichen.

Opfer flehte regelrecht um seinen Tod

Es ist ziemlich offensichtlich, dass diese Fallgestaltung nicht zu den klassischen Morden passt. Das Opfer flehte regelrecht um seinen Tod. Der Fall passt aber auch nicht in die Kategorie von Fällen, in denen die Gerichte das geschriebene Recht schon bisher sehr pragmatisch ausgelegt haben. Der BGH hatte schon in den 80er Jahren die sogenannte Rechtsfolgenlösung entwickelt. Demnach kann auf die lebenslange Haft unter sehr extremen Umständen verzichtet werden, zum Beispiel wenn der Täter vom Opfer provoziert oder bedrängt wurde. Das ist hier aber nicht der Fall.

Der BGH muss in Leipzig nun also kritisch hinterfragen, ob er die von ihm geschaffenen Ausnahmen ausdehnen will – und das im Angesicht einer hochpolitischen Debatte. Der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ist gerade dabei, den Mordparagrafen zu reformieren und dabei die zwingend lebenslange Haft zur Disposition zu stellen. Bis das Vorhaben umgesetzt ist, wird freilich noch recht viel Wasser die Gimmlitz hinunter fließen.