Wegen der weißen Flecken auf ihrer Haut traute sich Sarah-Liv Weyler aus Dürrlewang früher im Sommer nicht, kurze Kleider zu tragen. Heute verzichtet sie auf Selbstbräuner, um die hellen Stellen zu kaschieren. Foto: Eileen Breuer/Eileen Breuer

Als Jugendliche wurde Sarah-Liv Weyler wegen ihrer Weißfleckenkrankheit als Pandabär beschimpft. Nun möchte die 35-Jährige aus Stuttgart-Dürrlewang Miss Germany werden. Das ist auch Teil ihrer Reise zur Selbstliebe.

Dürrlewang - Von ihren Klassenkameraden wurde Sarah-Liv Weyler früher schikaniert: Beleidigungen wie Milka-Kuh, Pandabär und Flecki standen für sie auf der Tagesordnung. Denn die heute 35-Jährige leidet an Vitiligo, auch Weißfleckenkrankheit genannt. Die Pigmentstörung hat zur Folge, dass sich die Haut an manchen Stellen entfärbt.

 

Im Alter von vier Jahren traten die weißen Flecken bei ihr erstmals auf. Ansteckend ist die Krankheit nicht, es gehen mit der Hautveränderung auch keine gesundheitlichen Einschränkungen einher. Doch Vitiligo belastet viele Betroffene psychisch: „Ich wurde älter, die Flecken wurden mehr und mein Selbstbewusstsein weniger. Ich habe mich selbst nicht geliebt und fand mich hässlich.“

Das Resultat waren schwere Verbrennungen

Mit 13 Jahren schrieb sie in ihr Tagebuch: „Warum kann ich nicht so sein wie die anderen?“ Um sich diesen Wunsch zu erfüllen, cremte sie sich einmal mit Öl ein und setzte sich ungeschützt der Sonne aus, um ihre weißen Flecken zu bräunen. Das Resultat: schwere Verbrennungen. „Man möchte so sein wie die anderen, und dabei habe ich mir selbst geschadet“, reflektiert sie heute.

Aus Angst vor Hänseleien kaschierte sie jahrelang die weißen Stellen. Ihr war es lieber, dass ihre Haut aufgrund des Selbstbräuners orange wirkte, als dass andere ihre Flecken sahen. Weyler besuchte mehrere Kliniken in der Hoffnung auf Heilung – doch die gibt es nach bisherigen Erkenntnissen nicht, so der Deutsche Vitiligo-Bund.

Nicht einmal mit ihren Freundinnen redete sie darüber

Nach außen gab sie sich stark und ließ sich ihre Selbstzweifel nicht anmerken. Nicht einmal mit ihren Freundinnen redete sie darüber, dass sie sich selbst nicht akzeptieren konnte. Dann stieß sie in den sozialen Netzwerken auf eine Vitiligo-Gruppe, in der sich Betroffene austauschen – ein Wendepunkt. Durch den Kontakt zu anderen Betroffenen merkte sie, dass sie mit ihrem Leiden nicht allein ist.

Als eine Betroffene für ein Fotoprojekt nach Models suchte, die an Vitiligo leiden, überwand sich Weyler und ließ sich ablichten. Nachdem sie die Fotos öffentlich geteilt hatte, erhielt sie ausschließlich Zuspruch. Als dann ein Fernsehteam auf sie zukam, war sie bereit, vor den Kameras über ihre Krankheit zu sprechen und ihre weißen Flecken zu zeigen. Sie fasste den Mut, ohne Selbstbräuner auf der Haut zur Arbeit zu gehen. Die von ihr erwarteten negativen Reaktionen blieben aus. „Man selbst macht sich so verrückt und für das Umfeld ist es kein Thema.“

Stattdessen stehen die inneren Werte im Vordergrund

Nun hat sich Sarah-Liv Weyler um den Titel der Miss Germany beworben. Bei dem Wettbewerb gilt es nämlich nicht mehr, gängige Schönheitsideale wie makellose Haut zu erfüllen. Stattdessen stehen seit der Neuausrichtung des Contests die inneren Werte im Vordergrund. Es werden „Botschafterinnen, welche mit Haltung, Werten und Ehrgeiz neue Maßstäbe setzen und andere ermutigen, es ihnen gleichzutun“, gesucht – so steht es auf der Webseite des Veranstalters.

Das alte Konzept der Miss-Wahlen sei nicht mehr zeitgemäß gewesen, sagt Weyler: „Frauen sind nicht nur eine Hülle. Ich selbst sehe mich nicht als Schönheitskönigin. Allein schon wegen meiner Flecken passe ich nicht ins Schema“, sagt sie. Statt also das Streben nach Schönheitsidealen zu unterstützen, liegt ihr eine andere Botschaft am Herzen: „Weil ich erst lernen musste, mich zu lieben, wie ich bin , sehe ich es als Chance: einerseits, um über die Krankheit aufzuklären, und andererseits, um anderen Mut zu machen, zu ihren angeblichen Makeln zu stehen.“

Pro Bundesland kommen fünf Teilnehmerinnen weiter

Vom 14. September an ist die Online-Abstimmung freigeschaltet. Diese entscheidet gemeinsam mit einem Voting der Jury darüber, wer von den zehn ausgewählten Kandidatinnen aus Baden-Württemberg im Kampf um den Titel zur Miss Germany weiterkommt. Pro Bundesland schaffen es fünf Teilnehmerinnen in die nächste Runde.

Sarah-Liv Weyler hofft, weiterhin ihre Botschaft verbreiten zu können. Trotz der Teilnahme am Wettbewerb ist sie nicht am Ende ihrer Reise zur Selbstliebe angekommen. Weil ihr Gesicht inzwischen komplett weiß ist, trägt sie Make-up. Ihren Followern auf Instagram erklärt sie, dass sie durch ihre blasse Haut ansonsten aussehen würde wie ein Geist. Dies ziehe Fragen nach sich, wie etwa, ob sie krank sei: „Vielleicht schaffe ich es durch die Teilnahme an Miss Germany, auch diesen Baustein abzulegen und in Zukunft ungeschminkt das Haus zu verlassen.“