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Seit diesem Jahr ist Gas wieder günstiger zu haben. Neue Anbieter locken mit Kampfpreisen. 

Stuttgart - Seit der Wirtschaftskrise ist Gas wieder günstiger zu haben. Vom Umbruch an den Märkten profitieren derzeit neue Anbieter, die Gas billig einkaufen und Neukunden Kampfpreise anbieten.Neulich platzte Matthias Kurth, dem Chef der Bundesnetzagentur, der Kragen: "Im internationalen Gashandel beobachten wir einen dramatischen Preisverfall, der bei den Verbrauchern nur teilweise ankommt", sagte der Behördenchef der "Süddeutschen Zeitung". Derzeit spreizen sich die Preise für Gas je nach Anbieter gehörig:  Mal ist es teuer wie immer, mal kommt der Kunde aber durchaus günstig weg. 74 Gasversorger haben nach einer Marktstudie des Vergleichsportals Verivox zum ersten Oktober Preiserhöhungen um durchschnittlich neun Prozent angekündigt. Dagegen wollen 90 Unternehmen die Tarife um knapp sieben Prozent kappen.

Der Grund für die uneinheitliche Entwicklung, die dem traditionellen Herdentrieb der Versorger entgegenläuft, liegt in Marktumbrüchen, die im Gasgeschäft in den letzten zwei Jahren stattgefunden haben. Seitdem die Finanzkrise auch voll auf die boomende Wirtschaft durchschlägt und zudem neue Gasvorkommen in den USA konsequent ausgebeutet werden, vagabundieren auf den internationalen Gasmärkten beträchtliche Übermengen des einst so knappen Rohstoffs umher, für die die Energiehändler verzweifelt nach Abnehmern suchen. Diese Mengen werden nicht wie bisher von Importeuren direkt hinter dem Bohrloch aufgekauft, sondern drängen an die nationalen Energiebörsen für Gas, etwa in London, Leipzig oder dem niederländischen Groningen. Dort hat sich eine Reihe junger Energiefirmen breitgemacht, die sich darauf spezialisiert haben, diese Kontingente aufzukaufen und direkt an die Endkunden weiterzugeben. Ohne langfristige (und meist teure) Lieferverträge und mit weniger Personal als alteingesessene Energielieferanten machen diese Neulinge den Platzhirschen Konkurrenz. Diese Anbieter deckten sich besonders günstig an den Börsen mit Gas ein, sagt Jürgen Scheurer, Sprecher des Vergleichsportals Verivox. Waren es Firmen wie die Nürnberger Goldgas oder die Gelnhausener Bürgergas, die diese Entwicklung als erste für sich nutzten, sind es heute Anbieter wie Gas De oder Hitgas, die sich Preiskämpfe um die lukrativen Neukunden liefern.

Die unterschiedlichen Beschaffungsstrategien der Gasversorger hätten sich noch nie so deutlich auf die Tarife der privaten Haushalte ausgewirkt wie in diesem Jahr, heißt es bei Verivox. Am Gasmarkt tut sich also doch etwas. Um eine 50-Quadratmeter-Wohnung mit einem Jahresverbrauch von 8000 Kilowattstunden pro Jahr zu heizen, werden derzeit im günstigsten Fall etwa 413 Euro pro Jahr fällig - in der Region Stuttgart wohlgemerkt. Anderswo geht es noch günstiger. Vor eineinhalb Jahren kam man für dieselbe Energiemenge nicht unter rund 640 Euro weg.

Der Gas- koppelt sich vom Ölpreis ab - das beschert den Kunden Kostenvorteile 

Positiv für den Kunden wirkt derzeit auch, dass sich der Gaspreis immer mehr vom Ölpreis abkoppelt. Diese historisch gewachsene Verkupplung der beiden Energieträger weicht - auch dank der vorher geschilderten Entwicklungen - immer mehr auf. Und weil die Notierungen für Ölprodukte seit Anfang des Jahres besonders schnell nach oben geklettert sind, profitieren Gaskunden von dem schleichenden Ablösungsprozess. Aktuell bringe das dem Kunden einen gemittelten Kostenvorteil von 12,5 Prozent, sagt Verivox-Sprecher Scheurer.

Allerdings, und das relativiert die Aussage der günstigen Gaspreise wieder etwas, behelfen sich mittlerweile eine ganze Reihe von Gasversorgern mit einem einfachen Trick, um in den diversen Preissuchmaschinen ganz vorne gelistet zu werden. Wer bei Hitgas oder Gas De für seine Wohnung Gas ordert, erhält einen satten Bonus und ein kleines Freikontingent gleich mit dazu. Gerade das Instrument der Wechsel- oder Neukundenrabatte ist ein beliebtes Mittel zum Kundenfang. Auch wenn grundsätzlich nichts gegen die Boni einzuwenden ist, sollte man doch bedenken, dass ihre relative Bedeutung sinkt, je länger man bei dem Anbieter bleibt. Verbraucherschützer raten denn auch, beim Anbieter den jeweiligen Grundpreis - dieser entspricht beim Handy etwa der Grundgebühr - und den Arbeitspreis - beim Handy etwa der Preis je abgerechneter Minute Telefonat - zu berücksichtigen. Als Richtwert: Durchschnittlich schlägt eine Kilowattstunde derzeit mit knapp sechs Cent zu Buche.

Auch eine andere Tatsache könnte die Freude der Verbraucher angesichts derzeit relativ günstiger Angebote trüben. Der Industrie ist es in den vergangenen Monaten nämlich gelungen, ihre Gastarife gegenüber den Versorgern weitaus drastischer zu drücken, als dies bei Privatkunden geschehen ist. Die Preissenkungen im Privatkundenbereich seien "bei weitem nicht das, was bei Industrie- und Gewerbekunden ankommt", sagte Bundesnetzagentur-Chef Kurth im September. Bleibt also nur ein Anbieterwechsel, der dafür für Otto Normalverbraucher, denkbar einfach ist. 300 Euro pro Jahr könne der Wechsel nach Angaben der Bundesnetzagentur einem Musterhaushalt im Durchschnitt bringen.

Der Vorteil für den Kunden: Der Anbieterwechsel bei Gas geht schnell und ist sicher. Dass jemand in der kalten Wohnung sitzt, ist ausgeschlossen, die Belieferung mit Gas jederzeit gewährleistet, weil im Zweifel der örtliche Versorger mit Energielieferungen einspringt. Ein Wechsel lohnt sich dabei vor allem für Kunden, die noch nie einen Anbieter- oder Tarifwechsel vorgenommen haben. Diese Verbraucher sind dann Kunden der sogenannten Gas-Grundversorgung eines Anbieters. Bei der EnBW ist das etwa der Tarif Erdgas Plus. Diese Tarife gelten nach Angaben von Verbraucherschützern als besonders teuer.