Die Gewerkschaft will die Angleichung der Arbeitszeiten in Berlin-Brandenburg und Sachsen mit Warnstreiks erzwingen. Ihre eigentliche Zielscheibe sind die Konzernführungen im Westen. Zwei Gesamtbetriebsratschefs geben Rückendeckung.
Stuttgart - Die Tarifrunde der Metallindustrie erlebt nach etlichen Übernahmen des Pilotabschlusses noch ein schrilles Finale. Nach jahrzehntelangen vergeblichen Anstrengungen geht die IG Metall in Berlin, Brandenburg und Sachsen mit Macht in die Offensive: Mit einer Warnstreikwelle inklusive 24-Stunden-Streiks will sie die Arbeitgeber zwingen, sich auf Verhandlungen über eine Angleichung der 38-Stunden-Woche im Osten an die 35 Stunden im Westen einzulassen.
Tangiert sind viele Unternehmen, die vom Südwesten aus gelenkt werden: Am Mittwoch war unter anderem Mahle dran, am Donnerstag wird Porsche in Leipzig ganztägig bestreikt, und am Freitag muss sich Mercedes in Ludwigsfelde auf einen Stillstand einstellen – ebenso Volkswagen. Auch Zulieferer wie ZF werden bestreikt, was die Lieferkette etwa zu Porsche unterbrechen könnte. Damit soll der Widerstand der Arbeitgeber gebrochen werden, wenngleich Birgit Dietze, die Bezirksleiterin der IG Metall, vor der nächsten Verhandlungsrunde an diesem Donnerstag in Berlin-Brandenburg glaubt: „Zweieinhalbtägige Warnstreiks werden die Arbeitgeber womöglich noch nicht so beeindrucken, dass sie ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen.“ Da werde noch Druckaufbau nötig sein, wie die Verhandlungsführerin gegenüber unserer Zeitung vorhersagt. Auch für die nächste Woche sind bereits Aktionen geplant, um die Fabriken zum Stillstand zu bringen. „Wir sind kraftvoll aufgestellt für die nächste Zeit“, sagt Dietze. „Ich glaube schon, dass die Arbeitgeber merken: Wir meinen es ernst.“
Die Konzernführungen sollen umdenken
Weil eine Lösung im Flächentarif unsicher bleibt, verfolgt die Gewerkschaft eine zweigleisige Strategie, indem sie ausgewählte Unternehmen wie Mahle parallel dazu auffordert, die Angleichung auch in Haustarifen auszuhandeln. Zudem benötigt sie Rückhalt aus dem Westen. „Die aktive Unterstützung kommt auch“, sagt Dietze und meint nicht nur Solidaritätsbekundungen. Vielmehr würden die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten direkt in den Konzernzentralen darauf dringen, das Thema aufzugreifen. Die Konzernführungen sollen merken, „dass es sinnvoll ist, auf den Verband zuzugehen und ihm zu sagen: Sorgt dafür, dass der Arbeitskampf abgestellt wird“.
Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht gibt Geleitschutz: „Wir haben in den letzten Jahren in den neuen Bundesländern Fortschritte in der Tarifpolitik gemacht“, sagt er. „Allerdings haben wir vor allem bei der Angleichung der Arbeitszeit noch Mauern einzureißen.“ Auf diesen Missstand würden die Gewerkschaften seit Jahren hinweisen. Daimler habe im Osten eher kleine Standorte. „Doch überall dort, wo wir durchsetzungsfähig und gut organisiert sind, unterstützen wir den Kampf nach Angleichung der Arbeitszeit“, versichert Brecht. Entweder werde die Arbeitszeit angeglichen, oder es müsse eine Kompensation für drei Stunden Mehrarbeit geben. „Mehr arbeiten für das gleiche Geld – diese Ungleichbehandlung muss der Vergangenheit angehören.“
„Viele Betriebe müssen zusammen laut werden“
Mahle-Gesamtbetriebsratschef Jürgen Kalmbach nennt es „vollkommen klar, dass der Gesamtbetriebsrat die Forderungen der Kollegen im Osten unterstützt“. Mahle habe sieben Standorte dort – allein fünf in Berlin-Brandenburg und Sachsen. Er halte es für „absolut opportun“, einzufordern, dass man sich über eine Angleichung unterhält – dies habe der Betriebsrat dem Vorstand auch schon übermittelt.
Betriebsratschef Brecht hofft auf mehr Breitenwirkung: „Viele Betriebe müssen zusammen laut werden, dann fällt auch diese Mauer.“ Immerhin hätten die Belegschaften im Osten weiterhin die Möglichkeit, dafür zu streiken. Gemeint ist die juristische Schlacht: Der sächsische Arbeitgeberverband (VSME) hat versucht, per einstweiliger Verfügung Warnstreiks zu verhindern und setzte sich damit vor dem Arbeitsgericht Leipzig durch. Das Landesarbeitsgericht in Chemnitz kassierte die Entscheidung in der Berufung gleich wieder ein. Die Forderung nach einem Tariflichen Angleichungsgeld ist demnach rechtmäßig. Der Verband kündigte an, sein Anliegen im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen. „Wir waren sehr erstaunt von der einstweiligen Verfügung“, sagt Dietze. Allerdings hätten die Arbeitgeber damit die Empörung der Beschäftigten und die Warnstreiks „nur noch weiter angefacht“.