Bettina Frank übt mit Sportlehrer Martin Stengele die progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson Foto: Max Kovalenko

Viel bewegen, gesund essen und reden – Bettina Frank will mit Hilfe von Experten ihr Übergewicht in den Griff bekommen. Wir begleiten sie bei ihrem steinigen Weg zum Wohlfühlgewicht.

Stuttgart - Die Luft in der Turnhalle ist stickig, die Teilnehmer der Mobilis-Gruppe liegen mit Matten auf dem Boden. Sporttherapeut Martin Stengele erklärt mit ruhiger Stimme, auf welche Körperpartie die Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit richten sollen. Dreimal hintereinander spannen sie ihre Muskeln an, um sie dann wieder zu entspannen. Für die Teilnehmer, die ein Jahr lang an dem Mobilis-Programm teilnehmen, um ihr Gewicht zu reduzieren, stehen heute statt des üblichen Krafttrainings Entspannungsübungen an.

Bettina Frank kann damit jedoch nicht so viel anfangen: „Ich fühle mich gar nicht so angespannt, dass ich solche Übungen unbedingt brauchen würde“, gibt sie zu bedenken. Um ihre drei Sporteinheiten in der Woche zu schaffen, kommt ihr das Krafttraining mit der Gruppe sehr gelegen. „Bei den Entspannungseinheiten verbrenne ich aber einfach keine Kalorien“, sagt sie. Für Martin Stengele ist die Übung außerhalb des normalen Trainings dennoch sinnvoll: „Wir versuchen den Teilnehmern mehr mitzugeben als nur das reine Ernährungs- und Sportprogramm.“ Zwar bestehe kein direkter Zusammenhang zwischen Abnehmen und bewusstem Entspannen, „aber die Teilnehmer sollen nicht zu verbissen an die Sache herangehen und lockerlassen.“

Den Ehrgeiz der Stuttgarter Gruppe hat er aber unterschätzt. Nachdem die Teilnehmer nun seit einem halben Jahr gemeinsam schwitzen, fettarme Rezepte austauschen und sich miteinander über Abnehm-Erfolge freuen, ist die Motivation bei den meisten ungebrochen. „Mit so einer Rumliege-Stunde vergeudet man doch seine Zeit“, findet Bettina Frank heute. Dabei war sie vor der Teilnahme am Mobilis-Programm eher ein Sportmuffel. Inzwischen hat sie aber vor allem an den Kraftübungen Gefallen gefunden. Und so beugt sich auch Martin Stengele dem Wunsch der Gruppe. Statt wie geplant zwei Entspannungseinheiten zu machen, gibt es beim nächsten Mal wieder Krafttraining. Entspannungsübungen baut er erst zum Abschluss der Stunde in das Programm ein – mit weitaus größerem Erfolg. „Zum Runterkommen nach dem Sport macht das Sinn“, urteilt Bettina Frank. Schließlich solle man immer offen sein für neue Erfahrungen – und sei es nur, um hinterher festzustellen, dass es eben doch nichts für einen ist.

„Belastungen und Probleme gehören wie Freude und Genuss zum Leben, das aus Anspannung und Entspannung besteht“, sagt Psychologe Ralf Engelmann. Komme es jedoch zu einer Dauerbelastung und einem lang anhaltenden Ungleichgewicht zwischen An- und Entspannung, so könne dies zu einem kompensatorischen, gesundheitsgefährdenden Verhalten wie zum Beispiel auch zu unkontrolliertem Essen führen. Daraus entsteht im schlimmsten Fall ein Teufelskreis, wenn das schlechte Gewissen nach dem Essen zu einer weiteren Belastung wird.

Bettina Frank sieht jedoch bei sich selbst keine Gefahr dafür: „Ich bin kein Stress-Esser.“ Überhaupt habe sie den Ausgleich zwischen Ent- und Anspannung ganz gut im Griff. Inzwischen bietet ihr sogar der Sport die Möglichkeit, komplett abzuschalten. „Manchmal kommt man abends total abgehetzt zum Sport, weil man zum Beispiel im Stau stand“, erzählt sie. Innerhalb von wenigen Minuten habe sie den Stress jedoch komplett vergessen und konzentriere sich nur noch auf die anstrengenden Übungen.

Mit angenehmen Folgen: Innerhalb von sechs Monaten hat Bettina Frank 13 Kilo abgenommen. Damit hat sie ihr Ziel für die Halbzeit erreicht. Zwar purzeln die Kilos naturgemäß nicht mehr ganz so schnell wie am Anfang, doch mit mindestens einem verlorenen Kilo pro Monat ist Bettina Frank zufrieden.

Bei allem Ehrgeiz will sie ihre Diät dennoch nicht zu verbissen angehen. Wenn sie zum Beispiel am Wochenende unterwegs ist und sich nicht optimal ernähren kann, kämpft sie danach nicht mit einem schlechten Gewissen. „Dann genieße ich das Essen einfach und versuche bei einer anderen Mahlzeit wieder Kalorien einzusparen.“ Wenn Bettina Frank sündigt, möchte sie dafür aber auch gut essen: „Für lätschige Pommes sehe ich es inzwischen nicht mehr ein.“

Ernährungsexpertin Katja Lippold findet es außerdem wichtig, „Essen in Ruhe zu genießen“. Denn dies falle vielen Menschen in der hektischen Zeit zunehmend schwerer. Sie rät daher, sich bewusst Zeit zum Essen zu nehmen. Ein Tipp, den Bettina Frank zu beherzigen versucht. „Mit den Kindern haben wir aber schon immer in Ruhe gemeinsam Mittag gegessen und dabei nicht den Fernseher laufen gehabt“, sagt sie. Allerdings sei es ihr im Alltag nicht immer möglich, sich wirklich viel Zeit zum Essen oder für eine bewusste Entspannung zu nehmen.