Vor Wochen eroberten kurdische Kämpfer die syrisch-türkische Grenzstadt Foto: EPA

Ein 20-jähriger Stuttgarter kämpft auf Seiten der Kurden in Syrien gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Eine innere Stimme ­habe ihm „immer wieder gesagt, dass ich nach Rojava gehen muss“, erzählt er.

Stuttgart - Der Mann im Tarnanzug hält eine Kalaschnikow in den Händen. Ein Palästinenserschal verbirgt das Gesicht des jungen Stuttgarters: Seit Wochen kämpft er im „Internationalen Freiheitsbataillon“ gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat.

In Syrien marschiert der Stuttgarter unter der gelb-grünen Flagge der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG). Die Milizen gelten als bewaffneter Arm der syrischen Partei der Demokratischen Union (PYD), einer Schwesterorganisation der Kurdenpartei PKK. Eine innere Stimme habe ihm „immer wieder gesagt, dass ich nach Rojava gehen muss“, erzählt der 20-Jährige, der in dieser Geschichte Michael heißen soll. Rojava bedeutet Westkurdistan und meint mehrere Kantone im syrischen Norden.

Dort legen die Kurdenmilizen immer wieder empfindliche Hinterhalte gegen die islamistischen Gotteskrieger. Im Januar drängten sie nach monatelangen Kämpfen die Terrortruppe des IS aus der syrisch-türkischen Grenzstadt Kobane. Erst vor wenigen Tagen eroberten YPG-Kämpfer die ebenfalls an der Grenze gelegene Stadt Tal Abyad. Die militärischen Erfolge gegen die IS-Terroristen sind wohl ein Grund, warum sich Frauen und Männer aus verschiedenen Ländern auf den Weg machen, um sich dem kurdischen Freiwilligenbataillon anzuschließen.

Vor allem Deutsche, Spanier, Griechen und Kroaten sollen es sein, die in den Reihen der YPG kämpfen. In von den Kurden verwalteten Gebieten in Syrien und im Irak rufen diese eine „demokratische Autonomie“ aus. Das bedeutet: Die Bevölkerung organisiert sich in Rätestrukturen. Sie wählt also ihre Vertreter, die Räte, und weist diese genau an, was sie tun und lassen sollen. Überall werde auf die Beteiligung von Frauen Wert gelegt, versichert eine Sprecherin der RAS.

Offenbar ein Grund, warum die kurdischen Kampfgruppen auch attraktiv für Kämpferinnen und Kämpfer aus Westeuropa sind. Wie für den Stuttgarter. Der sei jetzt Angehöriger der Revolutionären Aktion Stuttgart (RAS), die in Syrien unter dem Kommando der türkischen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei“ (MLKP) kämpfe. Das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet beide Gruppierungen.

Die Geheimen haben bei der MLKP in Baden-Württemberg für den aktuellen Verfassungsschutzbericht 240 Anhänger gezählt. In der Türkei sollen die Kommunisten über bewaffnete Einheiten verfügen. Die RAS ordnet der Nachrichtendienst in einer Analyse der „gewaltorientierten linksextremistischen Szene“ Stuttgarts zu.

Zwar habe die RAS seit 2003 die „Überwindung des Kapitalismus“ zum Ziel, sagt eine Sprecherin der Gruppe. Sie versichert aber auch: Die Aktivisten hätten den Kämpfer „nicht nach Rojava geschickt“. Das sei alleine seine Entscheidung gewesen. Denn der „politische Kampf der RAS findet in Deutschland statt, denn gerade dieses Land ist weltweit für Armut und Krieg verantwortlich“. Das „Modell Rojava“ stehe für Frieden und ein gemeinsames Miteinander im Mittleren Osten, so die Sprecherin der Revolutionären Aktion. Neben Muslimen kämpften in deren Reihen auch Jesiden oder Christen gegen den IS – und auch für ein anderes, ein besseres Leben.