Sportchef Michael Reschke (links) und Präsident Wolfgang Dietrich: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit beim VfB Stuttgart Foto: dpa

Nach dem Aufstieg versprachen die Chefs beim VfB Stuttgart um Präsident Wolfgang Dietrich eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft mit einem jungen und sympathischen Coach. Jetzt prallen Wunsch und Wirklichkeit aufeinander, analysiert StN-Autor Gunter Barner.

Stuttgart - Weil das Drama um den VfB Stuttgart in diesen Tagen scheinbar unaufhaltsam dem nächsten Akt zustrebt, erinnern sich die älteren Teile der Fangemeinde ein bisschen wehmütig an den früheren Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Immer dann, wenn der Bleigehalt der Luft zu konkreten Schutzmaßnahmen Anlass gab, riet der Hauptmann der Reserve, kugelsichere Westen anzulegen und den Helm enger zu schnallen. Dann verdrückte er ein paar Krokodilstränen in der Öffentlichkeit und erklärte das Scheitern seines Übungsleiters mit dem Alten Fritz, wonach ein General ohne Fortüne jede Schlacht verliert. Er äußerte sein tiefstes Verständnis für den Groll des zahlenden Publikums, wetterte gegen die nichtsnutzigen Kritiker von der Presse und winkte den neuen Trainer herein, so lange der vormalige sein kostenloses Sprudel-Deputat noch in den Mercedes-Kombi lud.

Frontalzusammenstoß mit der Wirklichkeit

Seither hat sich viel geändert, möchte man meinen. Die Welt, der Fußball, nur nicht der VfB. Die Trainer kommen und gehen, als hätten sie in der Geschäftsstelle Drehtüren eingebaut. Weg sind auch die Wiederaufstiegshelfer Jan Schindelmeiser, Simon Terodde, Josip Brekalo und Hannes Wolf. Mögen die Gründe allesamt nachvollziehbar sein – dem Gefühl nach sind sie ein Frontalzusammenstoß mit der Wirklichkeit dieser Tage. Der VfB kämpft gegen den Abstieg. Der Perlentaucher entzaubert sich selbst. Sein prallt auf Schein, Wunsch stößt auf Wirklichkeit, Emotionen verdrängen die Fakten.

Präsident Wolfgang Dietrich hatte eine neue Kontinuität in Personalfragen versprochen und für den Fall der erfolgreichen Ausgliederung ein Ja zum Erfolg. Mit einer jungen, angriffslustigen und entwicklungsfähigen Mannschaft – unterstützt von erfahrenen Kräften. Doch am Ende stand auf dem Platz mehr das Team des selbstbewussten Sportchefs Michael Reschke als das des Trainers Hannes Wolf, der – als seiner Spielidee endgültig die Grundlage entzogen war – zuviel riskierte und alles verlor. Erst den Glauben einiger Spieler, dann die Spiele und am Schluss erstaunlich schnell das Vertrauen seiner Bosse.

Unternehmen, aber auch Herzensangelegenheit

Wie häufig in solchen Fällen gibt es wenig Verständnis für die Einsichten, die Dietrich und Reschke nun liefern, dagegen jede Menge Ärger und ätzende Kritik. Nicht alle Wut ist berechtigt, aber ein bisschen davon haben sich die beiden mit ihrem Verhalten durchaus verdient. Schon klar, der Verein ist ein Unternehmen, aber auch eine Herzensangelegenheit. Die Mitglieder sind keine Arbeitnehmer, sondern Mitbesitzer eines Clubs. Weshalb die Firmenleitung nur treuhänderisch verwaltet, was ihr die Basis an Besitzstand, Personal und Kapital anvertraut. Die Spitzenkräfte in kurzen Hosen sind keine x-beliebigen Mitarbeiter, sondern idealerweise Identifikationsfiguren mit Vorbildfunktion. Produziert werden im besten Fall sportliche Spitzenleistungen und Zirkusnummern, die mit großem Unterhaltungswert ein Höchstmaß an Emotionen und Leidenschaft generieren. Dafür erhebt das Unternehmen VfB saftige Eintrittspreise.

Demut und Selbstkritik

Das alles muss man verstehen, wenn Teile der Fangemeinde von den VfB-Bossen ein wenig mehr Demut und Selbstkritik verlangen – und die Lieferung dessen, was man vor Monaten noch versprach. Aber mit Jammern und Klagen, würde Gerhard Mayer-Vorfelder jetzt sagen, hat noch niemand ein Spiel gewonnen. Und Bundesliga-Fußball sei nun mal kein Strickliesl-Wettbewerb. Weshalb es ziemlich unklug wäre, nun die alten Rechnungen mit dem neuen Trainer Tayfun Korkut begleichen zu wollen. Der VfB kämpft wieder einmal ums Überleben. MV würde raten: „Augen zu und durch!“

VfB Stuttgart - Bundesliga

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