„Russendisco“ – frei nach dem Roman von Wladimir Kaminer überzeugt die Inszenierung als rasante Komödie im kleinen Atelier-Theater in Stuttgart.
Stuttgart - Papier. Papier. Papier. Wer die Regiearbeiten von Vladislav Grakovski kennt, weiß, dass er mit dem vielen Papier, das er an Bühnenwände hängt, symbolisch arbeitet. Schließlich befindet sich das Publikum in der „Russendisco“. Mischa (Daniel Neumann) und Wladimir (Waldemar Schwimmer) haben die geografische Grenze von der Sowjetunion Richtung Bundesrepublik verlassen. Und gilt Deutschland nicht selbst bei den Deutschen als Vorzeigeland in Sachen Papierkram-Bürokratie?
Auch sonst stattet Larisa Kamysina im Theater Atelier die 90-Minuten-Komödie eher puristisch aus: Vier Stühle dienen als Vehikel, um Handlungsorte zu kennzeichnen – die Moskauer Wohnung der Protagonisten, ein Wohnheim in Deutschland, die Ausländerbehörde oder den Gemeinderaum des Rabbiners.
Und schließlich nutzen die überzeugenden Darsteller Laura Petzer, Christian Hübner, Daniel Neumann und Waldemar Schwimmer für ihr rasantes Spiel vier Bierflaschen. Wie im besten Improvisationstheater sind die Flaschen Schlüssel, Mikrofon, Essen und Körperteil. Die Zuschauer amüsieren sich köstlich, wenn Daniel Neumann – plopp – eine Bierflasche öffnet, die er sich vor sein Geschlechtsteil hält, um seinem Freund Wladimir einen Einblick in seine frisch beschnittene Jüdischkeit zu gewähren.
Wer bist du, woher kommst du, und wohin willst du in deinem Leben? Diese Fragen hat Wladimir Kaminer schon im Jahr 2000 in seinem Bestseller „Russendisco“ in skurrilen Szenen skizziert. Deutschland und die Deutschen aus Sicht eines Russen – die mit viel physischem Einsatz gespielte Inszenierung hat auch heute noch dazu viel zu erzählen.
Weitere Termine im Theater Atelier (Stöckachstraße 55): 6., 13., 20. und 27. Juni. Karten: 01 76 / 63 11 44 11.