Foto: Doormann

Weise Wahrsager, alte Häuptlinge, heilige Ochsen –im nordwestlichen Kamerun empfängt den Besucher eine Welt aus Tradition, Mythen und Magie.

Der Wahrsager von Rhumsiki ist ein alter Mann mit gestutztem Graubart. Er trägt ein langes, erdfarbenes Hemd und auf dem kahlen Schädel eine nach hinten geschobene Zipfelmütze. Das Krabbenorakel wird er auch genannt. Er hockt am Boden neben einer Kalebassenschale, die mit feuchtem Sand gefüllt ist. Im Sand stecken Holzstäbchen und Tonscherben, die eine symbolische Bedeutung haben. Der Wahrsager hebt eine lebende Süßwasserkrabbe aus einem Wasserkrug, er spricht zu ihr, er spuckt auf die Krabbe und bittet sie, bei den Fremden für gute Antworten zu sorgen.

Einer der Besucher fragt, ob er von seinem Krebs genesen wird. Der Medizinmann setzt die Krabbe in die Kalebassenschale und deckt sie zu. Eine Minute Stille, dann öffnet er die Schale, betrachtet die Lage der Holz- und Tonstückchen und die Position der Krabbe und deutet daraus die Antwort auf die Frage des Fremden – eine ermutigende Antwort. Beim Abschied segnet er jeden, indem er die Schuhe mit Wasser aus dem Krabbenkrug bespritzt.

Das Dorf Rhumsiki im Nordwesten Kameruns liegt über tausend Meter hoch in den Mandarabergen, umgeben von bizarr aufragenden Felsnadeln aus erkalteter Lava. Es ist die Heimat der Kapsiki, Anhänger eines traditionellen Geisterglaubens und Ahnenkults. Ihre Lehmhütten schmiegen sich an karge Berghänge, nur fünf Kilometer von der nigerianischen Grenze entfernt.

Früh am Morgen sind wir zu einem dreitägigen Trekking aufgebrochen, sechs Deutsche, drei Schweizer und Tourguide Dabala Dji. Esel und Träger transportieren Zelte, Vorräte, Küchenutensilien, Wasser. Halbwüchsige Jungen laufen hinter uns her, streiten darum, unsere Tagesrucksäcke tragen zu dürfen.

Es ist sengend heiß geworden. Wir kommen an Feldern mit roter und weißer Hirse vorbei, an Erdnussfeldern, Maisfeldern, Süßkartoffeln, Guinea-Rosen. Auf allen Feldern arbeiten nur Frauen, ihre Kleinkinder um sie herum, oft ein Baby auf dem Rücken. Manchmal sieht man einen Mann am Rande des Felds unter einem Baum dösen. Frauen kochen. Frauen holen Wasser. Frauen zerstampfen Hirse und Bohnen. Vor einem Gehöft schlagen vier Frauen in bunten Kleidern gemeinsam die Körner von Maiskolben aus. Die Kapsiki leben in Polygamie.

Im Dorf Rufta begrüßt uns der Clanchef eines großen traditionellen Gehöfts. Sein Name ist Dellevoi. Er sitzt unter einem knorrigen Baobab, einem Affenbrotbaum, in dem Kuhreiher nisten. Der Chief trägt einen fleckigen, ärmellosen Kittel und ein rot gemustertes Käppi. Wenn er lacht, sieht man über dem grauen Kinnbart seine stumpfen, abgekauten Zähne. Er sei 78 Jahre alt und habe fünf Frauen, übersetzt Dabala. Über die Zahl seiner Kinder wird länger diskutiert; man kommt auf etwa 16.

Das Orakel der Mandaraberge

Das Gehöft ist von einer hohen Mauer umgeben. 23 runde Lehmhütten mit spitzen Strohdächern zählen wir. Es gibt eine Hütte für den Clanchef, eine Hütte für die ganze Familie, Hütten für die Frauen, in der Mitte mehrere hohe Lehmspeicher, die mit einem korbähnlichen Deckel verschlossen werden.

Nach dem Mittagspicknick in dem mit Strohmatten abgedeckten Marktstand des Dorfs Gova geht es in der brütenden Nachmittagshitze weiter. Einen steilen, gerölligen Pfad hinauf und auf rutschigem, trockenem Gras wieder hinunter. Jacques, der Gehilfe unseres Kochs Bernhard, trägt auf Rücken und Brust zwei unserer Tagesrucksäcke. Er hat 17 Geschwister, erzählt er. Auch sein Vater, ein Bauer, hat vier Frauen. Jacques ist 27, er hat seinen Bachelor in Tiermedizin gemacht, aber keine Arbeit gefunden.

Die Sonne steht schon tief, als wir die Katholische Mission Saint Paul de Hila am Rande eines Dorfs erreichen. Auf dem Vorplatz werden unsere Zelte aufgeschlagen, um kurz nach sechs bricht die Dunkelheit herein. Mit Stirnlampen sitzen wir am Klapptisch und löffeln unser Abendessen.

Am nächsten Tag beim Picknick unter einem Tamarindenbaum rennen von irgendwoher über 50 Kinder herbei, hungrig machen sie sich über unsere Essensreste her. Dabala zelebriert eine Schulstunde. Wie heißt der Präsident von Kamerun? Paul Biya. Wie heißt unser größter Fußballspieler? Sami Eto’o Fils. Wer kennt unsere Nationalhymne? Und die Kinder schmettern los. Dabala will ihnen vermitteln, wie wichtig es sei, zu lernen. Auch er ist Kapsiki, in den Mandarabergen geboren und aufgewachsen mit neun Geschwistern.

Mit Geländewagen fahren wir zu den Mafa hinauf, deren Rundhüttendörfer an den Flanken der Berghänge wie steinzeitliche Festungen kleben. In einem der Gehöfte lagert eine Frau mit ihrem kranken Baby auf dem Boden, um sie herum wuseln die Tiere durchs Stroh, ein Leben wie vor 2000 Jahren.

Abgeschottet von der Außenwelt lebt auch das Volk der Pódoko. Wie die Mafa bauen sie auf handtuchschmalen Terrassen Hirse an. In steilen Serpentinen windet sich die Piste bis zum Dorf Oudjilla hoch, dem Sitz des Oberhaupts der Pódoko. Häuptling Mazougou empfängt die Fremden mit seinen Notabeln auf einem ummauerten Platz mitten im Dorf. Der betagte, wohlgenährte Herrscher ist in ein Gewand aus goldenem Brokat gehüllt. Seine Füße sind nackt. Sein Volk zähle 18 000 Menschen, übersetzt Dabala. "Er hat 50 Frauen und 112 Kinder", erklärt unser Reiseführer weiter und schüttet sich aus vor Lachen.

Das Orakel der Mandaraberge

Durch einen schmalen Gang betreten wir den von hundertjährigen Lehmmauern umschlossenen Palast – ein riesiges, verwinkeltes Gehöft mit unzähligen Rundhütten. Auf abgewetzten Stufen geht es hinunter in einen dunklen Trakt, wo der heilige Ochse eingesperrt ist, der im April, zum höchsten Feiertag der Pódoko, geschlachtet wird.

Dann geleitet uns der Ratgeber des Häuptlings wieder hinaus und verabschiedet sich höflich. Wir steigen in die Geländewagen und rumpeln durch die Haarnadelkurven wieder hinunter, vorbei an hohen, spitzen Strohdächern, die dunkel gegen den Himmel stehen wie die Hüte von Zauberern in einer archaischen Welt.

Info: Anreise: Ethiopian Airlines (http://www.ethiopianairlines. com) fliegt über Addis Abeba, Air France (http://www.airfrance.de) über Paris in die Küstenstadt Douala. Inlandsflüge in die Hauptstadt Yaoundé sind nicht ratsam, besser legt man die Strecke per Auto zurück. Ab Yaoundé fährt der Zug Transcamerunais in den Norden nach Ngaoundére (630 km). Weiter per Bus nach Rhumsiki. Es ist ein Visum nötig mit dem Nachweis einer Gelbfieberimpfung. Der Reisepass muss mindestens sechs Monate gültig sein.

Gesundheit: Eine Malariaprophylaxe wird unbedingt empfohlen.

Veranstalter: Es empfiehlt sich, mit einem professionellen Reiseveranstalter durch Kamerun zu reisen. Der Afrika- Spezialist Oase Reisen (Tel. 0 62 21/7 50 04 56, http://www.oasereisen.de) bietet eine 15-tägige Reise vom Atlantik bis zum Tschadsee an, zu der auch das dreitägige Trekking in den Mandarabergen gehört. Eine Kamerunrundreise inkl. Mandaraberge gibt es außerdem bei Ivory Tours, Tel. 09 11/39 38 - 520, http://www.ivory-tours.de.

Allgemeine Informationen: Auswärtiges Amt, http://www.auswaertiges-amt.de.