Kailash Satyarthi ist der bekannteste Redner des Podiums Gesellschaft verantwortet Wirtschaft auf dem Kirchentag. Foto: dpa

Billigtextilien kosten in Deutschland oft nur wenige Euro. Wie die Ware produziert wird, interessiert die meisten Käufer nicht. Bessere Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern wie Indien oder Bangladesch würde die Warenpreise deutlich erhöhen. Eine hitzige Diskussion in der aufgeheizten Hanns-Martin-Schleyer-Halle.

Stuttgart - Kailash Satyarthi ist der bekannteste Redner des Podiums Gesellschaft verantwortet Wirtschaft. „Hallo Stuttgart. Ich freue mich, dass so viele junge Leute hier sind, um an einer besseren Welt mitzuarbeiten“, ruft er den Teilnehmern zu. Es sei nicht sein erster Aufenthalt in Stuttgart. Vor rund 30 Jahren sei er das erste Mal hier gewesen.

Satyarthi hat früher als Ingenieur für Elektrotechnik gearbeitet. Doch das ist lange her. Seit 1980 setzt er sich für die Rechte von Kindern ein. Der Inder, dem im Oktober 2014 gemeinsam mit Malala Yousafzai der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde, erzählt bei der Veranstaltung „Wieviel Ethik verträgt das Geschäft“ in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle vom Kampf gegen Kinderarbeit. Satyarthi hat verschiedene Organisationen gegründet, in denen er sich engagiert. „Ich präsentiere Lösungen, ich präsentiere Hoffnung“, sagt der 61-Jährige. „Wir leben in einer Welt, in der Kinder nicht sicher sind. Acht-, neunjährige Mädchen in Syrien werden von Terrorgruppen zur Prostitution gezwungen werden. In Pakistan wurden über 100 Schüler ermordet. Eine Mutter erzählte mir, dass sie ihren Sohn zum letzten Mal am Morgen sah. Er kam nie wieder.“

„Können wir uns eine zivilisierte Gesellschaft nennen, wenn wir unsere Kinder nicht vor Gewalt schützen können?“, fragt er in die Arena der Hanns-Martin-Schleyer-Halle. „ Ich träume von einer Welt, in der alle Kinder respektiert und geschützt werden. Aber wir leben in einer Welt, in der Kinder wie Tiere behandelt werden. Wir können nicht sagen: Das sind andere Kinder, unsere Kinder sind sicher. Wir sind Bürger einer Welt und alle sind für die Kinder Welt verantwortlich.“ Die Welt wachse zusammen, doch die Globalisierung bedrohe unsere Kinder, ihre Gesundheit, ihr Leben.

Auf dem Podium wird eine Zahl genannt: Von 100 Euro, die eine Hose hier zu Lande im Bekleidungsgeschäft kostet, bekommt eine Näherin in Bangladesch oder Indien gerademal ein Euro. Jedes Unternehmen habe gewisse Spielräume, um ethisch zu handeln, sagt Johannes Merck von der Otto-Gruppe in Hamburg. Doch Ethik habe ihren Preis. „Der Markt honoriert keine deutlich höheren Preise.“ Dort, wo Textilien zu Billigpreisen produziert würden, entstünden „Schäden an Mensch und Natur“ in Höhe von 20 Milliarden Euro. Was hier zu Lande billig ist, geht zu Lasten der Menschen in den Herstellerländern.

Es gehe darum, im eigenen Bewusstsein etwas zu ändern und nicht nur bei den Unternehmen, fordert Bernhard Felmberg vom Bundesentwicklungsministerium. Das Textilbündnis, das die großen Textilunternehmen in Deutschland jetzt abgeschlossen haben, sei ein Schritt in die richtige Richtung, so Felmberg. Mit Hilfe dieses Bündnisses soll die Marktmacht der deutschen und europäischen Textilhersteller gebündelt werden.

„Wir werden dieses Bündnis internationalisieren. Es steht noch eine Menge Arbeit vor uns, aber dieser Bündnis ist ein Riesenerfolg, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern“, sagt Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Mode und Textil. Doch das Bündnis beruht auf Freiwilligkeit. Und genau darin liegt das Problem. Notwendig wäre eine Regelung, die auf europäischer Ebene greift. „Wir brauchen eine Ordnung für den europäischen und globalen Wettbewerb, die nicht von der Wirtschaft und den Unternehmen bestimmt wird, sondern sich ausrichtet an den Bedürfnissen der Menschen“, betont Jens Martens von der Nicht-Regierungsorganisation Global Policy Forum in Bonn.

„Wir haben es hier mit einer unglaublichen wirtschaftlichen Komplexität zu tun“, meint Felmberg. Indien beispielsweise habe eines der schärfsten Gesetze gegen Kinderarbeit. „Doch es wird nicht eingehalten.“

Wie Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär es ausdrückte: Der Kirchentag gibt auf komplexe Themen komplexe Antworten. Dieses Podium ist ein Beispiel hierfür.