Der Sieger: Kai Gniffke Foto: NDR

Das Ende der umkämpften Wahl war überraschend: Der neue SWR-Intendant heißt Kai Gniffke. Er hat sich gegen Landessenderdirektorin Stefanie Schneider durchgesetzt.

Stuttgart - Er spürt die Last, die nun auf ihm liegt, und blickt mit Lust auf die Aufgabe. Aber es sei die Lust, „die weit überwiegt“. Das waren mit die ersten Worte, die Kai Gniffke als frischgewähltem SWR-Intendanten am Donnerstagmittag über die Lippen kamen. Überrascht über seinen Sieg wirkte der derzeitige Chef von ARD-Aktuell nicht. Das entspräche wohl auch nicht seinem Naturell. Dabei war das keinesfalls ein von Anfang an klares Rennen der beiden Bewerber.

Zu Beginn des Wahltags im SWR-Funkhaus in Stuttgart hatten beide Kandidaten, also neben Kai Gniffke auch die Landessenderdirektorin Baden-Württemberg Stefanie Schneider, jeweils 15 Minuten Zeit, um im Eiltempo vorzustellen, wie sich der zweitgrößte ARD-Sender künftig positionieren soll.

Auftritt, in alphabetischer Reihenfolge, Kai Gniffke: Betont lässig, mit dem Mikrofon in der Hand, zeigte er sich zumindest körperlich bewegt: Er, gebürtig aus einem kleinen Dorf in der Eifel, journalistisch mit dem SWR aufgewachsen, den er mehrfach mit Nachdruck sein „Mutterhaus“ nennt. Stefanie Schneider dagegen nutzte das am Pult befestigte Mikrofon, stand ruhig, sprach aber forscher, emotionaler, vielleicht auch ein wenig undiplomatischer als Gniffke.

Festhalten an beliebten Sendungen

Der Mann aus Hamburg betonte mehrfach, wie wichtig für seine Arbeit als Intendant jene Gremien – Rundfunkrat und Verwaltungsrat – sein würden, deren fast vollständig versammelte Vertreter über die Besetzung des Intendantenpostens zu entscheiden hatten. Er wünsche sich einen lebhaften Austausch mit eben diesen Gremien: „Lassen Sie uns miteinander diskutieren über Programme und Strategien. Am Ende machen uns diese kritischen Diskussionen besser.“ Schneider sprach viel von den Herausforderungen, Stärken, Baustellen und Aufgaben des SWR – die Gremien sprach sie nicht so gezielt und schmeichelnd an.

Das aktuelle Programm haben erwartbarerweise beide hoch gelobt. Doch beim Anreißen der Konzepte, wie sich denn lineare und digitale Angebote weiterentwickeln sollen, wurden Unterschiede hörbar. Während Gniffke mit den Sätzen „Vieles soll bleiben“ und „Fernsehen kann man effizienter machen“ erkennen ließ, dass vieles eben nicht so bleiben soll wie es ist, stellte Schneider klar, dass sie an vielen beliebten Sendungen festhalten werde. Es gebe „eine emotionale Bindung“ vieler Menschen an zahlreiche bestehende Programmangebote des SWR, das sei ein sehr hohes Gut.

Wichtigstes Thema in beiden Bewerbungsreden: die voranschreitende Digitalisierung des Senders. Die Herausforderung klingt bei Gniffke so: „Wir müssen Pacemaker“, also Schrittmacher, „in der ARD werden.“ Bei Schneider: „Wir müssen die Menschen in der Netzwelt erreichen. Man muss uns finden, ohne uns zu suchen.“ Gniffke warf im angesagtem Managertonfall mit englischen Fachtermini um sich, Schneider versuchte es mit Leidenschaft und nahbarem Umgangston: „Verdammt!“

Da ist noch Luft nach oben

Immer wieder sprach Gniffke vorsichtig von der „Luft nach oben“, die er in allen möglichen Bereichen entdecke. Schneider benannte viel kantiger – für manchen vielleicht erschreckender – angesammelten Reformbedarf: „Wir müssen uns besser sortieren“, es dürfe sich nicht weiter „jeder mit jedem in einem permanenten Abstimmungsprozess befinden.“

Einnehmender kommt es da schon rüber, wenn Gniffke, der ebenfalls Konflikte voraussieht, immer mal wieder wie nebenbei das Wort „Empathie“ fallen lässt. Er redet davon, „Mitarbeiter auch mal in den Arm zu nehmen“, und verspricht, man werde zwar gelegentlich hart miteinander streiten. Aber das könne man gut aushalten, weil man auch viel miteinander lachen werde.

Dann wohl auch im neuen Kreativzentrum in Baden-Baden, das sich Gniffke als lebendige „Hexenküche“, als Labor, als Entwicklungszentrum erträumt. Junge, innovative Leute sollen hier die europäische Alternative zu Facebook und Youtube entwickeln, die seit einiger Zeit als Vision bei den öffentlich-rechtlichen Sendern umgeht: eine publikumsattraktive Multimedia-Plattform für seriösen Journalismus.

Im ersten Wahlgang gescheitert

Für Schneider wie Gniffke ist die Abwanderung junger Nutzer weg vom klassischen Journalismus hin ins Netz – und hin zu oftmals unüberprüften Nachrichten und selbst zu gezielter Desinformation – nicht nur eine Frage der Zukunft öffentlich-rechtlicher Sender. Sie sehen es als eine Kernfrage der Demokratie.

„Wir dürfen den Dialog nicht abreißen lassen, nicht einmal mit jenen, die uns abschaffen wollen“, beschwört Gniffke den Kampf gegen eine Spaltung der Gesellschaft. Schneider ist da ganz eins mit ihm, gibt aber zu bedenken, dass man selbst die politisch sehr interessierten jungen Menschen erst einmal wieder erreichen müsse: „Wir müssen der Generation Greta sagen, dass es uns gibt.“

Klar überzeugt hat im ersten Wahlgang mithin keiner der beiden Bewerber. Kai Gniffke erhielt aus Baden-Württemberg 22 von 63 Stimmen, Stefanie Schneider 41. Rheinland-Pfalz gab Gniffke 20 von 25 Stimmen und Schneider nur 5. Diese Regionalverteilung der Stimmen ist deshalb wichtig, weil bei der Wahl eines SWR-Intendanten die einfache Mehrheit aus allen Stimmen nicht genügt. Zum Erfolg muss ein Kandidat sowohl bei den Delegierten aus Baden-Württemberg wie bei denen aus Rheinland-Pfalz jeweils die Stimmenmehrheit erringen.

Umschwung zugunsten Gniffkes

Dass Kai Gniffke aus dem zweiten Wahlgang dann als eindeutiger Sieger hervorging – 34 Stimmen aus Baden-Württemberg und 22 aus Rheinland-Pfalz – kam, was ein Raunen im Saal deutlich unterstrich, doch sehr überraschend. Viele Anwesende hatten angesichts der weit auseinander klaffenden Stimmvergabe schon mit einem dritten Wahlgang gerechnet, der erst in einigen Wochen hätte stattfinden können.

Der Umschwung zugunsten von Gniffke fand unter den baden-württembergischen Delegierten statt. Sollten die letzten Zweifler am Ende gar von jenen Worten überzeugt worden sein, mit denen Gniffke seine Bewerbung schloss? Sein Schwäbisch sei „net perfekt, aber i lerns grad“?