Der Kaffee-Röster Hochland ist bei seinem Sortiment erfinderisch Foto: Peter Petsch

Das Kerngeschäft macht im Einzelhandel offenbar den Kohl nicht mehr fett. Der Trend geht zum erweiterten Sortiment. Es muss ja nicht gleich Kleidung sein wie bei der großen Kaffee-Kette. Bei Stuttgarts bekannter Kaffeerösterei Hochland verblüffen Spätzle und Wein im Angebot.

Stuttgart - Eigentlich wollte man nur ein Buch kaufen. Und lässt sich zum Bestseller noch ein Spielzeug einpacken. Oder einen Schirm, nachdem sich bei Hugendubel zwei Branchen gleichen Namens gemeinsamer Familienwurzeln besonnen und Geschäftsbeziehungen geknüpft haben. Im Drogeriemarkt daneben bleibt es nicht beim Spülmittel, weil eine Kollektion an Faschingskostümen lockt. Da staunt man schon fast nicht mehr, dass man die Lust auf ein Glas Wein nicht nur in einem Lokal, sondern auch beim Kaffeeröster Hochland stillen kann. Mit „Chardonnay to go“, also Weißwein zum Mitnehmen, im Stielglas samt Deckel.

Der Wein, knapp 0,2 Liter, kommt aus Frankreich, das Glas ist aus Plastik, der Lieferant dieses Scherz-Artikels ist eine schwedische Firma. Wie schmeckt der Wein? Die Mitarbeiterin Gabi Geidis hat ihn probiert: „Gar ned so schlecht“, fällt ihr Lob schwäbisch-zurückhaltend aus. Der Weinkenner und -liebhaber bleibt dennoch skeptisch. Birgit Krauße, Assistentin der Geschäftsleitung von Hochland, sagt: „Der Chardonnay to go ist mehr dem Gag geschuldet. Als witzige Geschenkidee.“ Und vielleicht als Ergänzung für das Paket „Stuttgarter Picknick“: Der Wein würde sicher zum Knabberzeug wie Nüssen mit Wasabi-Überzug, Espresso-Bohnen, fachgerecht geröstet und dann in Schokolade getunkt als „Espresso to go“, dem Gebäck Stuttgarter Wibele und einem Teelicht im Glas passen. Da steht dem romantischen Picknick nichts mehr im Wege.

Mundgerecht zusammengestellt ist auch die Ausrüstung für das „Wanderglück“, das die Aufschrift auf einem weißen Baumwollsäckchen verheißt. Inhalt: eine Dose Roggenvollkornbrot, zwei Wurstdosen mit Leber- und Schinkenwurst, Weißweinschorle, Espresso-Schokobohnen, Servietten und Plastikmesser. Über ein solches Geschenk freut sich der Wanderfreund.

Ist man bei Liebhabern schwäbischer Küche eingeladen, findet sich bei Hochland auch hier das passende Mitbringsel: Spätzle, Alblinsen und ein schwäbischer Whiskey, gebrannt in Owen auf der Alb. Der Renner aber seien Teigwaren in Brezelform, verrät Verkäuferin Konstanze Keck. Eine Kundin habe gleich 20 Päckchen mitgenommen. Vielleicht gehen einige davon an heimwehkranke Exilschwaben in Berlin: „Dorthin verschicken wir viele Geschenke“, so Keck.

„Wir haben den Geschenke-Service deutlich ausgebaut“, berichtet Birgit Krauße. Heutzutage sei doch jeder froh, wenn er ein Geschenk zum Aufessen statt eines weiteren Staubfängers bekomme. Dabei wird natürlich die schwäbische Herkunft betont. Darum kommt aus der eigenen Chocolaterie, die vom Franzosen Fabrice Noel geleitet wird, nicht nur Konfekt und Bruchschokolade in allen Variationen, sondern auch Schokolade, in die kleine Salzbrezeln gedrückt wurden. Vorsicht allerdings bei den Stuttgarter Maultäschle: Man sollte sie auf keinen Fall in heiße Suppenbrühe einlegen, wie es eine Kundin tat. Die Täschle sind nämlich aus weißer Schokolade, gefüllt mit Nougat.

„Kaffee und Tee sind natürlich nach wie vor unser Kerngeschäft“, betont Birgit Krauße. Schließlich sei Hochland Deutschlands größte Kaffeemanufaktur. 1930 in der Königstraße 45 von Gustav und Antonie Hunzelmann gegründet, den Großeltern der heutigen Inhaberin Martina Hunzelmann, und bis heute ein Familienunternehmen. „Aber wir müssen auch ständig den Spagat zwischen Tradition und neuen Ideen meistern“, sagt Krauße. Man dürfe nicht erstarren und langweilig werden. Denn den Kaffee könnte der Kunde auch bei einer als Partner ausgewählten Supermarktkette kaufen. Darum werde überall nach neuen Ideen gesucht: „Bei uns geht niemand auf Reisen, ohne in fremden Städten nach Anregungen Ausschau zu halten.“

„Diese Ausweitung des Sortiments ist auch eine Chance für Fachhändler, die sich immer etwas Neues einfallen lassen müssen“, sagt dazu Sabine Hagmann vom Einzelhandelsverband Baden-Württemberg. Solche Mitnehm-Produkte hätten oft Event-Charakter. Etwa unter dem Motto: „Das haben wir für Sie aus Italien mitgebracht.“ Es könnte sich dabei sogar um in einer Modeboutique abgepackte Lebensmittel wie Marmeladen, Öl oder Gebäck handeln. Der Verband fördere das: „Wir bieten auch Einkaufsreisen für Anregungen an.“

Natürlich werde niemand in einer Metzgerei Schuhe oder Textilien verkaufen wollen, das würden schon die Hygienevorschriften verbieten, sagt Hagmann. Aber im Prinzip gebe es bei den Zusatzprodukten keine gesetzlichen Einschränkungen.

Sorgenvoll betrachtet Birgit Krauße das Sortiment, das dem VfB gewidmet ist „Da müssen wir die Daumen drücken“, sagt sie angesichts der Pech-Serie des Stuttgarter Bundesliga-Vereins. Vielleicht hilft es ja den Fans, wenn sie sich für den Besuch im Stadion mit der Schachtel „Cannstatter Kurve“ – unter anderem mit VfB-Kaffee und -Schokolade gefüllt – oder einem Becher mit rot-weißen Schokolinsen ausrüsten. Es könnte ein süßer Trost sein.

Dennoch ist Kaffee eine sichere Bank. „Filterkaffee ist wieder im Kommen“, so Birgit Krauße. Auch dafür ist das passende Accessoire auf Lager: die gute alte Kaffeehaube zum Warmhalten. Bei Stövchen endet die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Artikeln: „Wärme von außen verdirbt den Geschmack von Tee und Kaffee.“ Es geht eben nichts über Kernkompetenz.