Ein Mitarbeiter bei Kärcher montiert in Winnenden eine handgeführte Scheuersaugmaschine. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat nun entschieden, dass der Betriebsrat bei Kärcher aufgelöst werden muss. Foto: dpa

Beim Reinigungsspezialisten Kärcher knirscht es gewaltig: Die Gewerkschaft versucht sich über den Betriebsrat Einfluss in dem Unternehmen zu verschaffen. Das ist ungewöhnlich - laut Experten aber kein Einzelfall.

Stuttgart/Waiblingen - Wenn es um Gewerkschaft geht, beschleicht Hans-Jörg Ziegler ein schlechtes Gefühl. „Bei uns herrscht die Kärcher-Kultur“, sagt der Gesamtbetriebsratschef des Reinigungsspezialisten. „Wir wollen eigenständig sein.“ Von Gewerkschaften hält er nicht viel.

Matthias Fuchs, der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen, sieht das naturgemäß anders. Das Stuttgarter Arbeitsgericht folgte am Mittwoch einem Antrag der Gewerkschaft und löste den Kärcher-Betriebsrat am Stammsitz des Unternehmens in Winnenden auf - formal, weil das Gremium zu wenige Betriebsversammlungen einberuft. „Uns geht es um die Menschen, die wollen, dass wir uns stärker einbringen“, sagte Fuchs.

Gewerkschaft gegen Betriebsrat und dann auch noch vor Gericht? „Es ist auch für uns ein außergewöhnliches Verfahren“, sagte der Richter am Arbeitsgericht Stuttgart. IG Metall und Verdi sprechen von absoluten Ausnahmen.

Kärcher ist nicht das einzige Beispiel

In Osnabrück wollte die Gewerkschaft Verdi vergangenes Jahr den Betriebsrat der inzwischen insolventen Drogeriekette „Ihr Platz“ vor Gericht auflösen lassen, weil der die Mitarbeiter nicht ausreichend informierte. Im Neu-Ulm stritt die IG Metall mit dem Betriebsrat des Maschinenbauers Hilti vor Gericht, weil der mehr Wochenstunden zuließ als im Tarifvertrag vorgesehen. Bei SAP wurde der Betriebsrat überhaupt erst auf Betreiben von Gewerkschaftern gegen den Widerstand der Belegschaft vor Gericht erstritten.

„Es gibt natürlich mehr Verfahren von Arbeitgebern gegen den Betriebsrat“, sagt Peter Donath, IG Metall-Experte für Betriebspolitik. Dass Betriebsrat und Gewerkschaft im Clinch liegen, passiere aber, räumt Donath ein. Doch meistens einigt man sich hinter verschlossenen Türen - nicht vor Gericht.

Nach Einschätzung von Gewerkschaftsforschern nehmen die Uneinigkeiten auf der Arbeitnehmerseite zu. „Die Unzufriedenheit der Gewerkschaften mit der Arbeit allzu unternehmensorientierter Betriebsräte wächst“, sagt Wolfgang Menz vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München. Solche Kooperationsmodelle gerieten mehr und mehr in die Kritik. Das Problem: Die Arbeitgeber investieren immer weniger in die Pflege der Beziehungen. „Und wenn der Nutzen für die Beschäftigten ausbleibt, stellen die Belegschaften die Konsensbeziehungen mehr und mehr infrage“, sagt Menz.

Gewerkschaftsforscher Klaus Dörre von der Universität Jena glaubt, dass das den Gewerkschaften in die Hände spielt: „Das schlägt gerade massiv um, in dem es viele Gewerkschaftseintritte gibt“, sagt der Soziologe. „Der Betriebsrat ist ein strategisches Kampffeld für Gewerkschaften, um in den Firmen mehr Einfluss zu gewinnen“, sagt Dörre. Kärcher sei ein Beispiel für eine solche offensive Organisationsstrategie.

"Es geht ein Stück weit ums Prinzip"

Der Waiblinger IG-Metall-Bevollmächtigte Fuchs räumt das offen ein: Es gehe nicht nur um inhaltliche Fehler in der Betriebsrats-Arbeit. „Es geht ein Stück weit ums Prinzip. Wir haben den Anspruch, dass wir einen Zugang zu den Betrieben bekommen“, sagte Fuchs. Bislang ist das Familienunternehmen nicht in der Tarifbindung - die IG Metall hat wenig Einfluss. Nur von 2 von 17 Betriebsräten des Kärcher-Betriebsrats in Winnenden sind Mitglieder der IG Metall.

Für Betriebsratschef Ziegler ist das auch eine Frage der Kultur. Die Art und Weise, wie die Gewerkschaften funktionieren, „das ist nicht der Stil, wie wir miteinander umgehen“, betont er. Dass der Betriebsrat die Mitbestimmung beschneide und intransparent arbeite, weist er zurück: die Mitarbeiter würden am Schwarzen Brett sogar über Gehaltserhöhungen von Kollegen informiert. Neue, flexible Arbeitszeitmodelle seien im großen Kreis diskutiert worden.

Die Anwälte des Betriebsrats wollen die Entscheidung des Stuttgarter Arbeitsgerichts prüfen und voraussichtlich durch alle Instanzen fechten. Wer künftig in der Kärcher-Belegschaft die Macht hat, werden deshalb wohl erst die Betriebsratswahlen im nächsten Frühjahr zeigen. Dann wird sich zeigen, wer mehr Einfluss hat: Betriebsrat oder Gewerkschaft.