Eines der kleinen Denkmäler: Kärcher-Mitarbeiter beim Reinigen eines Brunnentrogs im Kloster Maulbronn Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die einen finanzieren Festivals, die anderen bauen Galerien: Sponsoring ist in der Kultur gang und gäbe. Die Firma Kärcher, Hersteller von Hochdruckreinigern, macht dabei das, was sie am besten kann: putzen. Damit ist sie bei Denkmalschützern weltweit gefragt.

Maulbronn - Es gibt nicht viele Menschen, die von sich behaupten können, dass sie einem amerikanischen Präsidenten auf der Nase herumtanzten. Thorsten Möwes kann das. Der Angestellte der Firma Kärcher hat am Mount Rushmore gleich vier präsidiale Riechorgane bestiegen, um sie mit einem Hochdruckreiniger zu putzen.

Die Kletterpartie vor genau zehn Jahren war die bisher spektakulärste Aktion des Winnender Unternehmens, um Werbung für sich zu machen. „Allein in den USA hat uns das 600 Mal in die Medien gebracht“, sagt Frank Schad, bei Kärcher unter anderem für Kulturmanagement verantwortlich. Dass die Putzete an diesem Nationalheiligtum auch noch kostenlos war, hat den Ruhm der Schwaben zusätzlich gemehrt.

Dabei ist das Felsenmonument von Lincoln, Roosevelt und Co. nur eines von hundert, an denen Kärcher seine eigenwillige Form des Kultursponsoring praktiziert hat. Das Brandenburger Tor gehört ebenso dazu wie die Kolonnaden am Petersplatz, die New Yorker Freiheitsstaue ebenso wie die Memnon-Kolosse in Ägypten. Auch der Stuttgarter Hauptbahnhof wurde schon „gekärchert“. Und die Christusstatue in Rio würde ohne den scharfen Strahl aus Winnenden in dunklem Grün vor sich hinmodern.

In wenigen Wochen wartet auf Möwes, der mit zwei Kollegen eigens für den Denkmalschutz abgestellt ist, eine besondere Mission. Dann soll er die Karls- und Hubertuskapelle des Aachener Doms von Moos und Vogelkot befreien.

Der Großputz wird nicht nur deshalb Wellen schlagen, weil das 540 Jahre alte Monument zum Welterbe zählt, sondern weil er unter internationaler Beobachtung stattfindet: Von Ende Juni an tagt in Bonn das Welterbekomitee der Unesco, und Vertreter aus allen Kulturkreisen werden auf der Baustelle erwartet.

Nicht nur der Kaiserdom hatte sich beworben, sondern auch andere deutsche Welterbestätten. Denn wo gibt es das schon mal, dass die Schwaben für andere die Kehrwoche machen? Doch sie gingen leer aus – auch das Zisterzienserkloster Maulbronn, gleichfalls Welterbe und vor Kärchers Haustür gelegen. Die Nähe zum Unesco-Tagungsort gab wohl den Ausschlag für Aachen.

„Wir helfen Maulbronn trotzdem“, sagt Frank Schad und schlägt den Mantelkragen hoch. Es zieht empfindlich an diesem Morgen im Klosterhof, wo seine Mitarbeiter die Maschinen aufbauen. Der gusseiserne Brunnen muss restauriert werden, denn er leckt. Doch zuvor sind Tests für die Entfernung von Kalk und Rost nötig: ein Fall für Möwes.

Wer nun glaubt, die Winnender rückten mit ihrem Einsteigermodell vom Baumarkt an, verkennt die technischen Möglichkeiten. Denn während Otto Normalverbraucher mit maximal 140 bar auf seiner Terrasse werkelt, können die Profis ganz anders aufdrehen: bis zu 1000 bar. Und Wasserdampf ist ja nur eine von vielen Varianten.

Ein schwerer Kompressor heult auf, als Möwes die Düse mit dem Trockeneis auf das Metall richtet. „Das geht sofort beim Auftreffen in gasförmigen Zustand über, es tropft nichts“, sagt er. Bei wasserempfindlichen Teilen oder alten Farbschichten sind die feinen, 80 Grad kalten Eisstäbchen das Mittel der Wahl. Die Lügenbrücke im rumänischen Sibiu wurde so vom Rost befreit. Ein Vorteile dieser Methode sei auch, dass die natürliche Zunderschicht des Metalls erhalten bleibt und sich nicht gleich wieder neuer Rost bildet, sagt der Reinigungsexperte.

Auch diverse Strahlmittel hat er im Angebot. Von Aluminiumsilikat bis hin zum Backpulver gibt es Hunderte Pulver, um in Verbindung mit Hochdruck einen gewaltigen Scheuereffekt zu erzeugen. Oder einen ganz zarten: „Ich blase Ihnen die Buchstaben vom Papier, ohne das Blatt zu beschädigen“, sagt Möwes und hält eine bleistiftgroße Düse an einen Prospekt. Wie von Geisterhand verschwindet die Schrift und hinterlässt einen weißen Fleck.

Am Maulbronner Klosterbrunnen erweist sich aber Wasserdampf als geeignet. Nicht zu hoch verdichtet, etwa bei 400 bar. Das habe sich kürzlich auch bei Tests an den Brunnen auf dem Stuttgarter Schlossplatz bewährt, sagen die Kärcher-Leute.

Zufrieden betrachtet Holger Probst, der Vertreter der staatlichen Bauverwaltung, die drei handtellergroßen Probeflächen im Trog des runden Brunnens. Er weiß das private Engagement zu schätzen, denn schon einmal hat das Unternehmen dem Land in Maulbronn erhebliche Kosten erspart. Vor zwei Jahren hat Kärcher dort den berühmten Drei-Schalen-Brunnen gereinigt – der Öffentlichkeit als Motiv der Zwei-Euro-Münze bekannt.

Probsts Behörde entscheidet letztlich mit den staatlichen Denkmalschützern, ob und wie der Brunnen gereinigt wird. Das ist noch keinesfalls ausgemacht, denn auch die Karlsruher Restauratorin Silke Günther schaut sich das Monument an diesem Morgen noch an. Die Kunst sei, den Brunnen so abzudichten, dass der Kitt wieder entfernt werden kann, sagt sie.

Doch das ist nicht Kärchers Sache. Und dreinreden will Schad den Kunsthistorikern ohnehin nicht: „Wir entscheiden nichts selbst, sondern geben den Behörden Empfehlungen.“ Wie eng die Winnender mit ihnen kooperieren, zeigen aber beispielsweise die Tests zur Reinigung der Kathedrale von Santiago de Compostela. Moose und Flechten haben den Granitbau aus dem 12. Jahrhundert überwuchert. „Stark schädigend“ sei dies, heißt es in dem Gutachten, das Kärcher bei der Stuttgarter Hochschule für Technik in Auftrag gegeben hat. Als Lösung schlagen die Bauphysiker eine kombinierte Reinigung von Trockeneis- mit Partikelstrahlverfahren vor: ein Fall für Möwes.

„Es geht gar nicht um Sauberkeit, sondern um die Erhaltung der Substanz“, hält Schad all jenen entgegen, die auf historischer Patina bestehen. Dass die Kölner ihren Dom schwarz lassen wollen, sei in Ordnung, wenn das dem Stein nicht schadet. Kann der unter oft jahrhundertealtem Schmutz aber nicht mehr atmen, entstünden Spannungen und schädliche chemische Reaktionen.

Die radikale Haltung, wonach der Verfall eines Bauwerks zu seiner Geschichte gehört, teilt man bei Kärcher ohnehin nicht. Das wäre von einem schwäbischen Unternehmen für Reinigungsmaschinen wohl auch zuviel verlangt. Aber auch das andere Extrem, den Versuch, Geschichte zurückzudrehen, entspricht nicht dessen Philosophie. Es gebe etwas dazwischen, sagt Schad: „Man sollte ein Bauwerk so erhalten, wie der Architekt es gemeint hat.“

Rußschwarz kann der Barockbildhauer Bernini seine 284 Säulen auf dem Petersplatz kaum gemeint haben, sonst hätte er sie nicht aus hellem Travertin heraus gehauen. Die Abgase der römischen Fiats haben sie dunkel werden lassen. Doch dann kam Kärchers Angebot: „Die Deutschen reinigen die Säulen von Sankt Peter“, frohlockte die Zeitung Corriere della Sera. In der Hoffnung, dass Berninis Säulen wieder leuchten.

Mehr als 25 000 Quadratmeter haben die Winnender im Vatikanstaat bearbeitet. Zehn Monate lang hing dafür das Firmentransparent an den Kolonnaden. So funktioniert eben Sponsoring. Letztlich waren die Römer zufrieden.

Was die Aktion gekostet hat, darüber schweigt sich Schad aus. Wie er überhaupt ungern Zahlen über dieses Kultur-Engagement offenbart. Ein siebenstelliger Betrag werde es in Rom wohl gewesen sein, sagt er: „Wir stellen aber nie eine Rechnung.“

Peinlich genau vermeidet das Unternehmen auch, professionellen Restauratoren in die Quere zu kommen. „Ob sie uns das Geschäft wegnehmen? Nein, denn mit den Reinigung ist es ja nicht getan, wir müssen danach ja immer noch ran,“ sagt Ariane Brückel, Sprecherin der Landesgruppe im Verband der Restauratoren. Und was das Reinigen angeht, lohne sich der Aufwand oft nicht. „Das ist ein unglaublicher Materialeinsatz für wenige Tage“, sagt Brückel. Kärcher hingegen stelle seine Geräte oft noch nach Dienstschluss zur Verfügung.

Für das Unternehmen rechne sich die Putzaktionen trotzdem, sagt Schad. Und zwar nicht nur finanziell, sondern auch ideell: „Die Wirkung nach Innen ist uns genauso wichtig.“ Denn Kultursponsoring schaffe eine Identifikationsmöglichkeit für die weltweit 11 000 Mitarbeiter. Außerdem habe diese Methode den Vorteil, dass sie zum Kerngeschäft der Firma passt. Und exklusiv ist sie auch noch, denn weltweit macht den Winnendern das niemand nach.

Ob Kärcher „kärchert“, entscheidet das Unternehmen letztlich immer noch selbst. Private Hausbesitzer haben keine Chance. Spektakulär sollte die Putzete schon sein. „Wir können auch ablehnen, wenn etwas zu aufwendig wird“, sagt Schad. Im Zisterzienserkloster kann man sich das kaum vorstellen. Denn was ist schon ein Klosterbrunnen gegen Mount Rushmore.