In der VfB-Fußballschule erhalten die jungen Kicker Zusatztraining. Es ist nur ein Angebot von vielen. Foto: Baumann

Auf 1000 Amateurfußballer kommt nur einer, der von seiner Leidenschaft leben kann. Der Weg in die Spitze ist hart und schmal. Doch wie funktioniert das eigentlich: Fußballprofi werden?

Die meisten Kids werden den prominenten Trainingsgast wohl nicht gekannt haben. Zu Krassimir Balakovs Glanzzeiten des magischen Dreiecks in den 90er Jahren waren sie noch lange nicht geboren. Dennoch war der Auftritt des 56-jährigen beim jüngsten Camp der VfB-Fußballschule in Urbach der große Hit. Seine Tricks hat der einstige Star des VfB Stuttgart schließlich nicht verlernt.

 

Die große Vielfalt: Stützpunkttraining, Feriencamps, Talentakademien

Die 50 Steppkes konnten sich von Balakov einiges abschauen und kommen sicher gerne wieder. Auch ohne prominente Unterstützung boomt die VfB-Fußballschule, eine Art Förderschule für angehende Fußballerinnen und Fußballer. Der Zulauf ist groß, dabei ist sie bei weitem nicht die einzige ihrer Art. Neben dem klassischen Vereinsfußball bietet sich dem Nachwuchs heutzutage eine Vielzahl an Möglichkeiten: Feriencamps, Stützpunkttraining, Individualtraining, Talentakademien: wer nach oben strebt, dem stehen Türen in alle Richtungen offen. Denn noch immer lautet das große Ziele vieler jungen Kicker: Profi werden. Am liebsten wie Haaland oder Messi.

Tipps von VfB-Nachwuchschef Thomas Krücken

Doch wie funktioniert das eigentlich: Profi werden? Wenn’s nur so einfach wäre, wie manch Zehnjähriger sich das vorstellt. Die Grundvoraussetzung zielt auf ein gewisses Talent. Das zeigt sich meist schon im frühen Alter von sechs, sieben Jahren. Grundregel Nummer eins für Eltern lautet: Kinder möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld lassen! Zu Beginn sollte eindeutig der Spaß im Vordergrund stehen, meint Thomas Krücken, der als Nachwuchsleistungschef vom VfB Stuttgart und früher bei Mainz 05, 1899 Hoffenheim und Hertha BSC schon viele Talente hat kommen und gehen sehen. Ernst wird es noch früh genug.

„Sportarten wie Turnen, Judo oder Handlungsschnelligkeit fördernde Sportarten wie Tischtennis haben motorisch und kognitiv eine hohe Wirkung auf die Kernsportart Fußball“, gibt Krücken einen weiteren Ratschlag und erinnert an den großen Johan Cruyff: Der habe sein peripheres Sehen und das Gefühl für Räume beim Baseball erlernt. Krückens dritter Tipp: Kein Kind sollte länger als 45 Minuten zum Training gondeln. Ein gutes Training im Heimatverein muss freilich gewährleistet sein.

Zusatzschichten für 89 Euro im Monat

Der Besuch einer Fußballschule oder Akademie parallel zum Vereinstraining kann nicht schaden. Einrichtungen wie die Schwabensport Talentakademie zum Beispiel. Hier erhalten an sieben Standorten in der Region Stuttgart über 300 Kinder und Jugendliche für 89 Euro im Monat ein wöchentliches Zusatztraining. Ihr sportlicher Leiter Ben Blümle sagt: „Wir wollen mit den Jungs und Mädchen die technischen Basics verfeinern und sie auch persönlich weiterbringen.“ Ein gewisses Niveau wird vorausgesetzt, wenngleich der Profibereich nicht als Zielrichtung gilt. Blümle betont: „Unser Ziel ist es, talentierte Fußballer:innen vereinsergänzend individuell zu fördern“. Einigen gelang von hier der Sprung ins Big Business Profifußball. Kevin Sessa (1. FC Heidenheim), Leon Dajaku (FC St. Gallen) oder Jan-Carlo Simic (AC Mailand) etwa.

„Die Professionalisierung beginnt heutzutage immer früher“, hat Blümle in seiner langjährigen Tätigkeit unter anderem als VfB-Jugendtrainer festgestellt. Früher galt die C-Jugend als spätestmögliches Sprungbrett auf ein gewisses Leistungs- und Förderniveau. Heute sollten hoffnungsvolle Jungkicker möglichst schon mit elf, zwölf, spätestens 13 den berühmten nächsten Schritt wagen.

In welchem Alter sollte der berühmte nächste Schritt erfolgen?

In den Nachwuchszentren ist dann Schluss mit lustig. „Talent allein reicht nicht. Man muss unheimlich viel reinstecken und auf vieles verzichten“, weiß Lukas Kling, der bei den Stuttgarter Kickers die U17-Junioren in der Bundesliga trainiert und es als Spieler selbst bis in die dritte Liga gebracht hat. 80 Prozent seiner Spieler lebten den Traum vom Profi, schätzt Kling. Doch der Flaschenhals ist schmal. Von 2,2 Millionen aktiven Fußballer:innen in Deutschland in 24 000 Vereinen können nur etwa 2000 von ihrem Sport leben. Auf einen Profi kommen also etwa 1000 Amateure. Die Unterschiede in der Veranlagung sind oftmals gar nicht so groß. Kling sagt: „Es funktioniert nur, wenn ich bereit bin, mehr zu machen als alle anderen.“

„Talent bringt dich an eine Schwelle, aber nicht weiter“

„Talent bringt dich an eine Schwelle, aber nicht weiter“, ergänzt VfB-Nachwuchschef Krücken. Das Einstiegsalter wird immer weiter nach vorne gesetzt. Die Jungs werden immer jünger, das Spiel immer schneller. „Technik und Geschwindigkeit sind fast schon Grundvoraussetzungen“, erläutert Krücken. Er zieht eine weitere Trennlinie im Bereich der B-Jugend, also im Alter von 15, 16 Jahren. Bis dorthin trägt einen das Talent. Dann kommen die Kernqualifikationen ins Spiel, die der 45-Jährige wie folgt benennt: Ein angehender (Muster-)Profi muss voll leistungsorientiert sein. Muss Widerständen trotzen können und beharrlich sein. Muss schnell sein, auch im Kopf. Technik unter Druck beherrschen, Leistung unter Druck abrufen können. Also auch vor 60 000 im Stadion und nicht nur auf dem Trainingsplatz. Und nicht zuletzt: Der Star von morgen benötigt eine „Waffe“. Eine Eigenschaft, die ihn von anderen abhebt. So trennt sich die Spreu vom Weizen, die sehr guten von den guten Spielern.

Prognosen nach dem Muster „Das wird mal einer!“ sind schwer. Am Ende sah sich auch der Kenner Krücken oft getäuscht. Wie vor zehn Jahren in Berlin, als sich alle Experten einig waren, dass dieser Junge seinen Weg machen wird. Mit 15 unterschrieb der aufgehende Stern am Fußballhimmel einen Profivertrag bei Hertha. Heute kickt er Bezirksliga.

Heute bleibt kein Talent mehr unentdeckt

„Die Gefahr“, sagt Krücken, „lauert in der Fußballblase. Viele, die es dorthin geschafft haben , denken, jetzt ist alles gut und es läuft von selbst.“ Ein Trugschluss. Entscheidend sei die Leistungsbereitschaft im Alltag. Dazu gehören oftmals auch Dinge, die keinen Spaß machen. Zum Beispiel am Abend noch eine Einheit Schnelligkeitsausdauer, um irgendwann 17 Flankenläufe pro Spiel zu schaffen.

Doch zurück an den Anfang, zu den jungen Talenten. Wer identifiziert sie eigentlich als solche? Wo und von wem werden sie entdeckt? Hier sind sich alle Experten einig: Das geht inzwischen von allein. Durch das engmaschige Netz der Scouts verschwindet heute niemand mehr unter dem Radar. Einen zweiten Miroslav Klose, der mit 20 noch in der Bezirksliga kickte, wird es nicht mehr geben.