Die Mannschaft jubelt über das 35:34 bei der Generalprobe gegen Frankreich – macht sich Bundestrainer Alfred Gislason schon Gedanken über die Anfangsformation gegen Weißrussland? Foto: imago/Sven Simon/Franz Wälischmiller

Alfred Gislason setzt bei der Handball-EM auf einen Mix aus Routiniers und vielen neuen Gesichtern. Wir zeigen die Möglichkeiten, die der Bundestrainer auf den einzelnen Positionen hat und ordnen den Kader ein.

Stuttgart - Jetzt geht’s los! An diesem Freitag (18 Uhr/ARD) startet die deutsche Handball-Nationalmannschaft als ambitionierter Außenseiter in Bratislava gegen Weißrussland in die EM. Die Vorfreude und die Zuversicht sind groß, doch es spielt auch viel Ungewissheit mit. Selten war es schwieriger, eine Stammformation vorherzusagen.

 

Tor Zwischen den Pfosten ist die Hierarchie klar: Andreas Wolff, der Europameister von 2016 vom polnischen Topclub KS Vive Kielce (118 Länderspiele), ist die klare Nummer eins. Zweiter Mann ist Till Klimpke (23/neun Länderspiele) von der HSG Wetzlar. Wolff, früher selbst in Wetzlar aktiv, und Klimpke profitierten beide viel von HSG-Torwarttrainer-Legende Jasmin Camdzic. Der dritte Keeper Joel Birlehm (24 Jahre/SC DHfK Leipzig/vier Länderspiele) erwartet Nachwuchs und steht auf Abruf bereit. Einschätzung: Wenn Wolff heißläuft, ist er Weltklasse. Seine Topform braucht das DHB-Team, wenn es weit kommen will.

Linksaußen Marcel Schiller ist auf dieser Position der Nachfolger des langjährigen Kapitäns Uwe Gensheimer. Dem trickreichen Rechtshänder von Frisch Auf Göppingen (31 Länderspiele/133 Tore) kommt auch die Rolle des Siebenmeterschützen Nummer eins zu. Hinter dem 30-Jährigen lauert Lukas Mertens vom SC Magdeburg (vier Länderspiele/sieben Tore) auf seine Chance. Sein Spitzname „Speedy“ sagt alles über die größte Stärke des pfeilschnellen 25-Jährigen. Einschätzung: Auf dieser Position ist Deutschland sehr gut besetzt.

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Rückraum links In den Vorbereitungsspielen begann der 23-jährige Sebastian Heymann (Frisch Auf Göppingen/14 Länderspiele/25 Tore) auf der Königsposition, konnte aber im Angriff zu selten sein Potenzial abrufen. Gut möglich, dass Gislason im richtungsweisenden Eröffnungsspiel auf Routinier Julius Kühn (MT Melsungen/87 Länderspiel/272 Tore) setzt, zumal der 28-Jährige bei der Generalprobe gegen Frankreich auftrumpfte. Dritter Mann ist Zweitligaspieler Julian Köster (VfL Gummersbach/vier Länderspiele/drei Tore). Der 21-Jährige wird aber hauptsächlich als Spezialist in der Abwehr benötigt – als vorgezogener Mann in der offensiven 3:2:1-Deckungsvariante. Einschätzung: Die Schwankungen sind das große Problem. Überspitzt formuliert: Von Welt- bis Kreisklasse ist alles möglich.

Rückraum Mitte Philipp Weber (SC Magdeburg/ 55 Länderspiele/135 Tore) ist in der Schaltzentrale Gislasons verlängerter Arm. Allerdings machte dem 29-Jährigen zuletzt eine Schulterprellung zu schaffen. Als Alternative steht Luca Witzke (SC DHfK Leipzig/vier Länderspiele/vier Tore) parat. Sein Vereinskollege Simon Ernst (43 Länderspiele/36 Tore) wird vor allem für das Abwehrzentrum benötigt. Der 27-Jährige ist nach drei Kreuzbandrissen das Stehaufmännchen des deutschen Handballs. Einschätzung: Einen Denker und Lenker wie einst Markus Baur oder Daniel Stephan gibt es auch diesmal nicht. Die Spielsteuerung könnte ein Problem werden.

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Rückraum rechts Der 32 Jahre alte Kai Häfner (MT Melsungen/114 Länderspiele/247 Tore) hat mit seiner Galavorstellung beim 35:34 gegen Frankreich gezeigt, wie unverzichtbar er mit seiner Erfahrung für das Team ist. Neuling Djibril M’Bengue (29 Jahre/FC Porto/vier Länderspiele/acht Tore), wie Häfner gebürtiger Schwabe, leistete sich in der Vorbereitung viele Stockfehler, überzeugte aber mit körperlicher Robustheit in der Deckung. Auch Christoph Steinert (31 Jahre/HC Erlangen/sechs Länderspiele/zwölf Tore) kann als aggressiver Abwehrspieler Häfner entlasten. Außerdem hat der U-21-Weltmeister von 2011 auch schon auf Rechtsaußen ausgeholfen. Nach Schiller ist er zweiter Siebenmeterschütze. Einschätzung: Alles hängt an Häfner. Läuft’s bei ihm, ist Gislasons Team im rechten Rückraum international top besetzt.

Rechtsaußen Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, hat Timo Kastening (MT Melsungen) auf dem rechten Flügel einen Stammplatz. Die Spezialität des 26-Jährigen (40 Länderspiele/136 Tore) ist das Verwerten der Tempogegenstöße. Neuling Lukas Zerbe (vier Länderspiele, sechs Tore) dürfte wenig Spielanteile erhalten. Der 25-Jährige vom TBV Lemgo Lippe ist der Neffe von Rückraum-Legende Volker Zerbe, der mit Deutschland 2004 den EM-Titel holte. Einschätzung: Passiert Kastening nichts, muss Deutschland auf dieser Position keinen Vergleich mit der Weltklasse scheuen.

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Kreis Auf Kapitän Johannes Golla lastet große Verantwortung. Der 24-Jährige von der SG Flensburg-Handewitt (35 Länderspiele/94 Tore) ist am Kreis und im Innenblock gesetzt. Der 32-Jährige Patrick Wiencek (THW Kiel/153 Länderspiele/308 Tore), der älteste Spieler im Kader, wird ihm mit Rat und Tag zur Seite stehen. Jannik Kohlbacher (26 Jahre/Rhein-Neckar Löwen/80 Länderspiele/164 Tore) wird wegen Adduktorenproblemen zunächst nicht am Ball sein. Einschätzung: Die Position mit den traditionell wenigsten Problemen – absolute internationale Klasse ist vorhanden.