Paukenschlag im Kachelmann-Prozess: Alice Schwarzer fliegt aus dem Gerichtssaal.

Mannheim - Paukenschlag im Kachelmann-Prozess: Der Vorsitzende Richter Michael Seidling forderte gestern Abend Alice Schwarzer auf, den Saal zu verlassen. Grund ist ein Beweisantrag von Verteidiger Johann Schwenn am Ende des 26. Verhandlungstages. Er verlangte, dass Frau Schwarzer als Zeugin gehört wird. Der Anwalt hegt den Verdacht, dass sie mit dem Therapeuten des mutmaßlichen Opfers über das Kachelmann-Verfahren gesprochen hat. Der Verdacht dränge sich nach einem Beitrag Schwarzers in der "Bild"-Zeitung am 8. Dezember auf, sagte Schwenn.

Dort habe sie über die gerichtliche Beschlagnahme des Koffers von Therapeut Jürgen Seidler berichtet. Und über dessen ursprünglichen Inhalt. Den habe sie jedoch nicht kennen können, ohne mit Seidler darüber gesprochen zu haben. "Das nimmt ja Formen an", sagte Schwarzer und verließ fassungslos den Saal.

Als mögliche Zeugin darf Schwarzer vorerst nicht mehr an dem Prozess teilnehmen. Über ihre Kontakte zu Seidler sagte Schwarzer in einem Interview: Sie habe mit Seidler telefoniert und ihn nach seinen Veröffentlichungen gefragt. Beide hätten sich über sexuelle Gewalt in Beziehungen ausgetauscht. "Ich habe nie über seine Patientin mit ihm geredet", versicherte Schwarzer.

"Strategie der Diffamierung"

Die Ex-Geliebte Kachelmanns habe ihr nach einer Talkshow eine Mail geschrieben. "Um meine Objektivität nicht zu gefährden", habe sie aber den Kontakt beendet, sagte Schwarzer, die ein Buch über den Fall Kachelmann plant. "Schwenn betreibt eine Strategie der Diffamierung", sagte sie.

Schwenn hält den renommierten Psychotraumatologen Seidler für einen "Scharlatan" und tut sein Fachgebiet als "Traumakram" ab. Er warf dem Heidelberger Professor gestern vor, "geradezu wahnhaft in eine Allianz mit der Nebenklägerin eingebunden" zu sein. Seidler gehöre "zu der Fraktion, die eine konzertierte Aktion zur Verurteilung Kachelmanns" erreichen will, so die Verschwörungstheorie Schwenns. Der Anwalt verlangte gestern Aufklärung über eine angebliche Aktennotiz Seidlers Ende Juli 2010. Die soll der Therapeut kurz nach der Entlassung Kachelmanns aus der Untersuchungshaft verfasst haben. Aus der Notiz gehe hervor, dass Seidlers Leben und das seiner Patientin in Gefahr sei.

Unfug

Dies habe ein Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe dem Anwalt des mutmaßlichen Opfers, Thomas Franz, mitgeteilt. Franz habe diese Information daraufhin an Seidler weitergegeben. Verteidiger Schwenn hält es jedoch für abwegig, dass Anwalt Franz dem Therapeuten "einen derartigen Unfug" erzählt hat.

Die Verteidigung verlangte gestern, dass der als Zeuge geladene Professor hierzu öffentlich Stellung nimmt. "Die Öffentlichkeit soll nachvollziehen, mit wem sie es zu tun hat", sagte Schwenn. Das Gericht sah dies anders und schloss Zuschauer und Presse aus. Einige Zuschauer quittierten dies mit Buhrufen. Es könnten schutzwürdige Interessen des mutmaßlichen Opfers verletzt werden, sagte der Vorsitzende Richter. Fragen, die nicht die Privatsphäre der Frau betreffen, ließ das Gericht jedoch zu.