Präsident Massud Peseschkian Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire/IMAGO/Iranian Presidency

Präsident Massud Peseschkian enttäuscht seine Anhänger im Reformlager. Die Liste für sein erstes Kabinett hätte ein Zeichen für Veränderungen werden sollen.

Personalvorschläge wie der pro-westliche Außenminister Abbas Araghci oder die erste iranische Frau auf einem Ministerposten seit 15 Jahren, Verkehrs- und Bauministerin Farzaneh Sadegh, sollten einen Aufbruch und eine Öffnung zum Westen einleiten. Doch wie auch der reformorientierte Wirtschaftsminister Abdolnaser c sind sie Ausnahmen in einem Kabinett aus Konservativen. Vizepräsident Dschawad Sarif trat wegen der Kabinettspläne nach zwei Wochen im Amt zurück.

Peseschkian legte seine Vorschläge für eine Regierung aus 19 Ministerien dem iranischen Parlament vor, in dem die Hardliner die Mehrheit haben und das die Kabinettsmitglieder bestätigen muss. Zum Entsetzen des Reformlagers wählte Peseschkian viele altgediente Regime-Loyalisten und schiitische Männer für Ministerposten aus, obwohl er ein jüngeres, weiblicheres und multireligiöses Kabinett versprochen hatte. Peseschkian beugte sich offenbar den Wünschen von Regimechef Ali Khamenei.

Enttäuschung bei den Reformern

Die 47-jährige Sadegh ist die einzige Frau auf Peseschkians Wunschzettel. Ihre Kandidatur als Verkehrsministerin ist bemerkenswert. Nach Gesundheitsministerin Marsieh Wahid Dastdscherdi wäre sie erst die zweite Ministerin in der Geschichte der Islamischen Republik. Auch Araghci, Außenminister in spe, steht für einen neuen Kurs. Er diente als Botschafter in westlichen Ländern und war iranischer Chefunterhändler bei den Gesprächen über den Atomvertrag mit dem Westen von 2015. Wirtschaftsminister Hemmati sei der wichtigste Reformer im Kabinett, sagte der amerikanische Iran-Experte Arash Azizi unserer Zeitung.

Diese Botschaften verblassen gegen die anderen Personalentscheidungen des Präsidenten. Viele Iraner, die Peseschkian ins Amt verholfen hätten, lehnten die Kabinettsliste ab, kommentierte „Shargh“, eine Zeitung des Reformlagers. Peseschkian vergibt aus Sicht seiner Wähler die Chance für einen Generationswechsel. Zudem will Peseschkian drei Minister aus dem Hardliner-Kabinett seines Vorgängers Ebrahim Raisi auf ihren Positionen belassen. Zu ihnen zählt der Khamenei-Vertraute und Geheimdienstminister Esmail Khatib, obwohl er eine Mitschuld am Versagen des Sicherheitsapparates beim israelischen Anschlag auf Hamas-Chef Ismail Hanijeh vor zwei Wochen trägt. Justizminister Amin-Hossein Rahimi war an der Niederschlagung der Protestbewegung vor zwei Jahren beteiligt, soll aber ebenfalls bleiben dürfen. Raisis Industrieminister Abbas Aliabadi soll als Energieminister weitermachen.

Der Vize-Präsident schämt sich

Vize-Präsident Sarif wirft deshalb das Handtuch. Der frühere Außenminister hatte Peseschkian im Wahlkampf geholfen und anschließend als Chef eines Übergangsrats potenzielle Ministerkandidaten ausgesucht. Peseschkian ignorierte viele von Sarifs Empfehlungen. Er schäme sich, dass er es nicht geschafft habe, mehr junge Politiker und mehr Frauen ins Kabinett zu bekommen, schrieb Sarif auf X.

Sarifs Abgang ist ein schwerer Rückschlag für Peseschkian. Als Vize-Präsident für Strategische Aufgaben sollte der im Westen bekannte und gut vernetzte Sarif die außenpolitische Öffnung des Iran steuern. Sarif ist im Reformlager beliebt, wie Iran-Experte Arman Mahmoudian von der Universität Süd-Florida unserer Zeitung sagte. Als Vize-Präsident hätte er ungeachtet von Kritik der Hardliner arbeiten können, weil er auf dem Posten keine Zustimmung des Parlaments brauchte.

Peseschkians Minister müssen dagegen ein Vertrauensvotum der Abgeordneten überstehen. Die Volksvertretung stimmt ab dem kommenden Wochenende über sie ab, und die Reformgegner lassen bereits erkennen, dass sie einige Vorschläge ablehnen. Als der Name der designierten Verkehrsministerin Sadegh im Parlament verlesen wurde, gab es Protestrufe.

Auch Außenminister Araghci und Wirtschaftsminister Hemmati könnten nach Medienberichten im Parlament durchfallen, weil sie den Hardlinern zu pro-westlich sind. Der neue Präsident ist für einige seiner Anhänger deshalb schon jetzt ein Verlierer. Die Abgeordnete und Reformpolitikerin Parvaneh Salahschuri urteilte: „Peseschkian hat bei seiner ersten Prüfung fast auf ganzer Linie versagt.“