„Eine vollständig geschlossene Regierung“ – Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner demonstrieren vor barocker Kulisse Einigkeit Foto: AFP/John MacDougall

Vor brandenburgischer Frühlingskulisse stellen Kanzler Scholz und sein Kabinett Harmonie und Tatkraft zur Schau. Entscheidungen zu Mali, Flüssiggas, Waffenlieferungen und Ukrainereisen machen den Streit der letzten Wochen aber noch nicht vergessen.

Von Krise will der Kanzler nichts wissen, von regierungsinterner Kritik an seiner Person schon gar nicht. Da sei der Journalist mit der entsprechenden Frage wohl „falschen Insiderinformationen“ aufgesessen, meint Olaf Scholz: „Die Regierung ist vollständig geschlossen – ich weiß, dass Sie das enttäuschend finden.“

Garniert wird diese harmonische Erzählung von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner, der nach der ersten Ampel-Kabinettsklausur am Mittwochmittag von einer netten Atmosphäre und gemeinsamem Lachen berichtet. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen erzählt, dass wegen Corona und Krieg „die Leichtigkeit des Aufbruchs“ zwar noch nicht ganz zurücksein könne, aber doch fast. Nach den hektischen ersten Amtsmonaten sei das anderthalbtägige Treffen auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin die erste Gelegenheit gewesen, „das große Bild zu malen“.

Was folgt aus der Zeitenwende?

Jenseits des Tagesgeschäfts diskutierte das Kabinett also am Dienstag mit den Ministerpräsidentinnen aus Finnland und Schweden, was Russlands Überfall auf die Ukraine für die europäische Sicherheitsarchitektur bedeutet. Am frühen Abend erklärten die Ökonomen Michael Hüther und Sebastian Dullien der Bundesregierung übereinstimmend, dass hohe Energiepreise und die starke Inflation staatlicherseits nicht mit Subventionen bekämpft werden dürften, sondern Investitionen in ein anderes wirtschaftliches Geschäftsmodell nötig sind. Zu möglichen Plänen, die über die beiden beschlossenen Entlastungspakete hinausgehen, wollte Scholz nichts sagen. Lindner sprach über „innovative Antworten“ und „neue Ideen“, die aber noch nicht spruchreif seien.

Neu ist auf jeden Fall das Gesetz, mit dem der Bau eines deutschen Flüssiggas-Terminals massiv beschleunigt werden soll, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu reduzieren. Dafür wird Habeck zufolge nur das europäisch vorgeschriebene Minimum an Beteiligungs-, Genehmigungs- und Planungsvorschriften verlangt. Der Minister kündigte an, dass der Entwurf bis Montag verabschiedet werden soll – und lobte das Zusammenspiel mit den anderen Ressorts. Niemand in der Regierung arbeite nach dem Motto „Hauptsache, ich stehe gut da“.

Als Gemeinschaftsproduktion kommt auch die Entscheidung zur Zukunft des Bundeswehr-Einsatzes in Mali daher. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die beide kürzlich die afrikanische Sahelregion besucht haben, begründeten gemeinsam, warum die europäische Ausbildungsmission EUTM nicht fortgeführt wird, für die Deutschland bisher rund 300 Soldatinnen und Soldaten abgestellt hat. Die malische Armee arbeite inzwischen eng mit russischen Militärs zusammen, nach Berichten über ein Massaker an der Zivilbevölkerung sei eine unabhängige Beweissammlung vereitelt worden. „Ein solches System“, so Lambrecht, „können wir nicht länger unterstützen.“

Auch Mali ist eine Gemeinschaftsproduktion

Aus strategischen Gründen, gerade mit Blick auf den russischen Einfluss in der Region, will sich die Bundesregierung nicht ganz aus dem Sahel zurückziehen. Das Mandat zur Beteiligung von etwa 1000 Bundeswehrangehörigen am UN-Einsatz Minusma soll verlängert werden – aber nur, wenn die Vereinten Nationen den Ausfall Frankreichs kompensieren. Deutschland kann Lambrecht zufolge zwar seinen Beitrag im medizinischen Bereich aufstocken, aber keine Kampfhubschrauber entsenden: „Wir werden die Mission nur dann fortführen, wenn die UN ihre Hausaufgaben machen.“ Baerbock appellierte daher an die Vereinten Nationen, nicht auch den Abzug der Bundeswehr zu riskieren: „Uns ist sehr, sehr klar, dass wenn wir die Region verlassen würden, dass das massive Auswirkungen hat für die Zivilbevölkerung.“

Militärisch muss am Mittwoch auch der Kanzler Auskunft geben. Aus dem großen koalitionsinternen Streit um die Lieferung schwerer Waffen, als ihm der Grüne Toni Hofreiter („Das Problem ist im Kanzleramt“) und die Liberale Marie-Agnes Strack-Zimmermann („möglicherweise im falschen Moment am falschen Platz“) Zögerlichkeit vorgeworfen hatten, scheint Olaf Scholz gelernt zu haben. Zumindest verschweigt er anders als im Vorfeld der Gepard-Entscheidung nicht, dass zusammen mit den Niederlanden auch die Lieferung von Panzerhaubitzen organisiert werden soll und dazu am Vortag ein Gespräch mit Premier Mark Rutte stattfand. Es werde nun „ziemlich schnell“ gehen, so Scholz.

Verhärtete Position hinsichtlich eines Kiew-Besuchs

Verhärtet ist seine Position dagegen in Bezug auf einen möglichen Besuch in Kiew. Die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Repräsentant der Bundesrepublik stelle „ein Problem“ dar, das vorrangig die ukrainische Seite aus der Welt schaffen müsse. Um in dieser Frage erst gar keine koalitionäre Uneinigkeit aufkommen zu lassen, antwortet Scholz zuerst – Habeck und Lindner bestätigen die Haltung ihres Kanzler nur mit einem kurzen „genau“.