Vince Ebert Foto: Frank Eidel

Kabarettist Vince Ebert macht sich wenig Sorgen. Er glaubt an Fantasie und Erfindergeist des Menschen. Am Donnerstag hat der Diplom-Physiker die Saison in der Rosenau mit einer Vorpremiere seines Programms „Zukunft is the future“ eröffnet.

Stuttgart - Saisonauftakt in der umgebauten Rosenau! Hurra! Und alle fünf Minuten geht für zwei Sekunden das Licht aus! Super! Zum Glück aber nicht während der Show, sondern nur beim Dinieren davor. Die neue Saalbeleuchtung bockt nach der Renovierung noch ein bisschen, ansonsten alles bestens. Vorteil dieser Momente plötzlicher Blindheit: Andere Sinne trumpfen auf, die Maultaschen schmecken umso phänomenaler.

Dass man am Donnerstag mit Vince Ebert und der Vorpremiere seines neuen Programms „Zukunft is the future“ gestartet ist, passt also: Auch er leuchtet bei dieser Werkschau manche Gags noch aus. Dabei sitzt der Text allerdings im Grunde perfekt, zwei Nachfragen bei Regisseur Jim Libby wirken fast geplant.

Der Diplom-Physiker, der 1994 übrigens bayerischer Meister im Beachvolleyball wurde, will einen Blick auf, wenn schon nicht: in die Zukunft werfen. Im ersten Teil skizziert er veraltete Vorstellungen, quasi die Geschichte der Zukunft, und betont deren Unvorhersehbarkeit. Menschen samt Technik entwickelten sich nicht zwingend gemäß ihren Bedürfnissen: „Oder haben Sie vor dreißig Jahren die Möglichkeit vermisst, eine SMS zu schreiben?“

Die nervigen Veganer sollen endlich mal die Klappe halten

Ein gewaltiger Flachbildschirm mit Frauenstimme avanciert zum Side-Kick: Der übergroße Smartphone-Ersatz spricht mit Ebert, zeigt Grafiken und blendet Fotos ein. Etwa eines des ersten In-vitro-Burgers, sprich der ersten im Reagenzglas mithilfe von Gewebezüchtung hergestellten Bulette. So könnte man dem Appetit auf totes Tier ja eines Tages durchaus beikommen. Widerwärtige Massentierhaltung wäre passé. Auf das Geständnis, dass wir früher Kühe am Fließband schlachteten, um Fleischküchle zu genießen, werden unsere Enkel laut Ebert eventualiter entsetzt antworten: „Was ist eine Kuh?!“ Und das vielleicht Beste an diesem Zukunftsentwurf: „Diese nervigen Veganer würden endlich mal die Klappe halten.“

Außerdem will der Kabarettist die Angst vor übermächtigen Maschinen lösen, wie sie Science-Fiction-Dystopien schüren. Clevere Algorithmen, die scheinbar alles über sämtliche Internetnutzer wissen, rieten Vince Ebert jüngst zum Kauf eines Buches von: Vince Ebert. Mit derlei künstlichen Intelligenzen kann man es wohl gerade noch aufnehmen.

Eberts Pointen amüsieren, wenn deren Prämissen aus Wissenschaftsfeldern stammen. Leider lässt er sich zuvörderst nach der Pause zu sehr zu Klischeescherzen hinreißen: Seine Heimat, Amorbach im Odenwald, muss als Paradekaff herhalten. Das mag bei manchem als selbstironisch durchgehen, ist aber schlicht ein überreiztes Sujet. Dort auf dem Land, raten Sie mal, geht es halt provinziell zu. Da lebt man rustikal, da ist man froh, wenn man (sinngemäß) bei Dorffesten nicht im eigenen Genpool fischt. Ein ehemaliger Schulkamerad Eberts habe eine Frau rumgekriegt, indem er ihr beim ersten Date ein überfahrenes Wildschwein überreichte.

Mehr als zwei Witze pro Abend über das dörfliche Nest und die Gattin: Das sollte verboten sein

Und apropos Frau: Der von ihm geehelichten widmet Ebert ebenfalls etliche, will sagen: zu viele Blödeleien. Als er einen Putzzwang bei sich feststellte, kommentierte seine Frau: „Von dem habe ich aber nichts gemerkt.“ Ebert: „Klar, weil ich ihn gut im Griff habe!“ Mehr als zwei Witze pro Abend übers bäuerliche Nest und die Gattin zu reißen, müsste auf Kabarett- und Comedybühnen eigentlich längst verpönt sein.

Doch genug der Krittelei. Der Mann erzählt schon auch Interessantes. Vom tödlichen Testosteron zum Beispiel: Eunuchen leben bis zu 15 Jahre länger als, nun ja, herkömmliche Herren. Aber: „Muss man wollen.“ Die nicht unwesentliche Frage, ob man Gott weniger ernst nähme, wenn selbiger sächsisch spräche, stellt der Atheist ebenso.

Gen Ende gibt Ebert mit reichlich Pathos eine recht optimistische Prognose über die kommenden Tage der Erdenbürger ab. Dank Fantasie und Erfindergeist seien Verzicht und Reduktion gar nicht nötig – man habe bislang für jedes Problem eine Lösung gefunden. Eine These, die manchen bestimmt zum Zurücklehnen einlädt. Aber vielleicht hat Ebert ja Recht. Die Zukunft wird’s zeigen.