Der Autor und Schauspieler Dilaver Gök thematisiert in seinem Ein-Mann-Stück „Der fliegende Teppech“ Vorurteile über Deutsche und Türken. Foto: Kutzer

Dilaver Gök zeigt in der Blumeninsel an der Johannesstraße sein Stück „Der fliegende Teppich“. Es geht um Klischees über Deutsche und Türken und um Philosophie.

S-West - Der Wert eines Orientteppichs und seine Haltbarkeit werden maßgeblich durch Zahl und Dichte der verwendeten Knoten bestimmt. Die Auslegeware, die Dilaver Gök seinen Gästen in der Blumeninselfeilbietet, genügt in dieser Hinsicht höchsten Ansprüchen. Geschickt verknüpft er in seinem Ein-Mann-Stück „Der fliegende Teppich“ Beobachtungen, die lustvoll mit den Klischeebildern über Deutsche und Türken spielen, ein wenig Philosophie, und eine große Prise echten Istanbul-Flair. Wer den schwäbischen Tugenden folgend Geld sparen, aber trotzdem den Großen Basar der türkischen Metropole, die Blaue Moschee oder die Hagia Sophia besichtigen will, kommt im Wohnzimmertheater am Hölderlinplatz voll auf seine Kosten. Er wird hinterher mit Sicherheit von einem kleinen Abenteuer berichten können.

Ohne zu viel verraten zu wollen: der Schauspieler und Autor Gök spielt die Rahmenhandlung vom Besuch des Ehepaars Thomas und Monika bei dem türkischen Teppichhändler Mahmut nicht einfach vor. Er macht sein Publikum zum Teil des Geschehens – so charmant, dass auch schüchterne Zeitgenossen kein Problem haben über ihren Schatten zu springen.

Manches Vorurteil hat einen wahren Kern

Das reale Ambiente samt vorgelagertem Blumenladen und die Bilder im Kopf verschwimmen im Laufe des Abends zunehmend. Auch deshalb, weil Gök alle Sinne bedient. Wer dem Ruf des Muezzins gelauscht, frisch aufgebrühten Tee in der Nase und Blätterteig auf der Zunge hat, der hört auch das Plätschern des Bosporus’, wenn Mahmut eine Schifffahrt in Aussicht stellt. Nicht zuletzt ist es der Sinn für Humor, der beim Aufeinandertreffen von teutonischen Tugenden und orientalischer Schlitzohrigkeit stimuliert wird.

Dilaver Gök lässt uns über seine Figuren lachen, ohne sie bloßzustellen. Er zeigt, dass manches Vorurteil einen wahren Kern hat, das gemeinsame Lachen aber stärker ist als sämtliche Macken. Als Glücksfall erweist sich hierbei, dass er einerseits ein unverkrampftes Deutsch spricht, dem man die späte Ankunft in Stuttgart mit Ende Zwanzig anmerkt. Dass er aber andererseits ein durchaus gewitzter Wortschöpfer ist. Mal verbiegt er die „Beißzange“ Monika zur „Beißstange“, mal erschafft er gänzlich neue Wortungetüme wie „Besitzbehaltungs-Gefangene“. Sie entstehen, wenn Gök beim Übersetzen seiner türkischen Gedanken ins Deutsche mit Worten jongliert.

Der Teppichhändler behauptet, er sei Aladin

Auch auf textlicher Ebene ist „Der fliegende Teppich“ also ein Vergnügen, und man mag nicht widersprechen, wenn der Teppichhändler behauptet, er sei Aladin und sein Kopf die Wunderlampe. In den ruhigeren Momenten des Stückes, kann einem sogar ein Licht aufgehen: Warum zieht es uns eigentlich in die Ferne und wieso wundern wir uns dort dann manchmal, dass nicht alles ist, wie zuhause? Wissen wir immer, was wir wollen oder muss erst ein Mahmut kommen und uns beibringen, was wir brauchen? „Wenn die Seele satt ist, beschwert sich der Magen nicht mehr“, preist dieser sein Konzept der spirituellen Ernährung an. Ein Besuch in der Blumeninsel deckt den Tagesbedarf eines Erwachsenen an Seelenmassage. Echt orientalische Gastfreundlichkeit inklusive. Gut möglich, dass man am Ende ganz vergisst, einen Teppich zu kaufen. Da hilft dann wohl nur eines: wiederkommen.