Im Jahre 1963 war das Hochhaus der JVA Stammheim das modernste Haftgebäude der Bundesrepublik. Foto: Archiv Chris Lederer

Das Landesamt für Denkmalpflege stuft das JVA-Hochhaus und das Gerichtsgebäude als schützenswert ein. Das Amt Vermögen und Bau Baden-Württemberg will das Hochhaus abreißen lassen – das wird nicht ohne weiteres möglich sein.

Stammheim - Der Akt ist vollzogen: Seit dem 30. Juli dieses Jahres sind der Hauptbau (Bau 1) und das Mehrzweckgebäude mit Gerichtssaal der Justizvollzugsanstalt in Stammheim offiziell als Denkmäler einzustufen. Das hat das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart nach eingehender Recherche und Prüfung entschieden.

In der Regel wartet man mindesten 30 bis 40 Jahre

In den vergangenen beiden Jahren seien zahlreiche Gebäude im Land unter die Lupe genommen worden, ob sie die Kriterien erfüllen, um als Denkmal anerkannt zu werden. „Zum einen hat man Wohnsiedlungen überprüft, wie beispielsweise die Aspen-Siedlung in Botnang, zum anderen Verwaltungsgebäude, zu denen auch die JVA in Stammheim zählt“, sagt Ellen Pietrus von der Unteren Denkmalschutzbehörde bei der Stadt Stuttgart.

Theoretisch könne ein Gebäude bereits nach wenigen Jahren zum Denkmal erklärt werden. Das sei aber eher unüblich. „In der Regel wartet man mindestens 30 bis 40 Jahre, also eine Generation, ehe man beurteilt, ob ein Gebäude als schützenswert einzustufen ist“, erklärt Steffi Fürniß, Pietrus’ Kollegin bei der Stadt Stuttgart. Das Hauptgebäude der JVA sei im Jahre 1963 fertiggestellt worden, der Mehrzweckgebäude an der Asperger Straße 49, sprich das Gerichtsgebäude, stamme aus dem Jahre 1975.

Hoher exemplarischer und dokumentarischer Wert

Zwei Kriterien spielten bei der Einstufung des Gebäudes eine wesentliche Rolle: die bauhistorische Bewertung und der geschichtliche Hintergrund. „Die JVA galt seinerzeit als das modernste Gefängnis der Bundesrepublik und als Modell für reformistischen Strafvollzug“, sagt Ellen Pietrus. Die Modernität bezog sich in erster Linie auf die Hafthäuser und hier einerseits auf die Zellenausstattung, die mit Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, Handwaschbecken und WC für die damalige Zeit überdurchschnittliche hygienische und sicherheitstechnische Standards erreichte. Andererseits verfügten sie über die damals modernsten technischen Kommunikations-, Kontroll- und Überwachungseinrichtungen. Mit der Inhaftierung der Baader-Meinhof-Gruppe (RAF) im Jahr 1974 und dem damit verbundenen Umbau des Zellengebäudes sowie der Erweiterung durch das Mehrzweckgebäude bekam die JVA eine zusätzliche Bedeutung als historischer Ort und politisches Symbol.

In der Begründung des Landesdenkmalamtes heißt es: „An der Erhaltung des Zellentrakts für Männer bestehe wegen seines exemplarischen und dokumentarischen Wertes und wegen seines Maßes an Originalität und Integrität ein öffentliches Interesse. Bau I und das Mehrzweckgebäude sind in Sachgesamtheit Kulturdenkmal aus wissenschaftlichen, historischen, sowie gesellschaftspolitischen, justizgeschichtlichen und – wegen ihrer Bedeutung für Stuttgart – aus heimatgeschichtlichen Gründen.“ An ihrer Erhaltung bestehe vor allem wegen ihres „dokumentarischen Wertes und wegen ihrer Veranschaulichung eines außerordentlichen zeitgeschichtlichen Phänomens“ ein öffentliches Interesse.

Zukunft des Hochhauses auf lange Sicht ungewiss

Ob das Hochhaus auf lange Sicht erhalten bleibt, ist jedoch fraglich. Derzeit laufen auf dem Grundstück der JVA Stammheim Bauarbeiten für neue Haftgebäude. Sobald diese Gebäude fertig sind, soll das Hochhaus eigentlich abgerissen und möglicherweise durch einen JVA-Krankenhausneubau ersetzt werden. „Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg hat diese Absicht uns gegenüber bereits formuliert“, sagt Ellen Fürniß. Es liege jedoch noch kein entsprechender Bauantrag vor. „Erst wenn das Land einen Abrissantrag stellt, entscheiden wir als städtische Behörde mit dem Denkmalamt im Regierungspräsidium, was passieren soll.“ Dies erfolge bei Landesobjekten wie der JVA stets im Einvernehmen mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg. „Der Landesbetrieb als Eigentümer der Immobilie ist darüber informiert, dass es sich bei der JVA um ein Denkmal handelt und er eine Erhaltungspflicht hat“, sagt Ellen Pietrus. Diese Pflicht geht allerdings nur so weit, wie sie wirtschaftlich zumutbar sei. Wo hier die Grenzen des Zumutbaren liegen, das sei stets im Einzelfall zu entscheiden und für das Hochhaus nach aktuellem Stand noch nicht zu beurteilen. Fest stehe bislang nur: „Je früher und je umfassender die Unterlagen für den Abriss bei uns eingereicht werden, um so schneller können wir eine Entscheidung herbeiführen“, sagt Pietrus.