Justus Pankau vermacht seine Kamera dem Haus der Geschichte Foto: Max Kovalenko

Schwäbisch kann er nicht. Und doch fühlt sich Justus Pankau in Stuttgart zu Hause. Im Juli 1954 kam er als einer der ersten Kameramänner des damals jungen Fernsehens zum Südfunk (SDR) nach Stuttgart, wo er bis zu seiner Pensionierung 1989 beschäftigt war. Jetzt, meint er, brauche er seine Kamera nicht mehr.

Stuttgart - Über 20 „Tatorte“, darunter den berühmten „Rot, Rot, Tod“ mit Curd Jürgens, etwa 40 andere Fernsehspielfilme und rund 80 Dokumentarfilme hat Justus Pankau mit seiner aus den fünfziger Jahren stammenden Arriflex-Filmkamera gedreht. „Dazu kamen noch ich weiß nicht wie viele Kurzreportagen“, erzählt der Kameramann. Vergangene Woche übergab Pankau sein langjähriges Arbeitsinstrument dem Haus der Geschichte in Stuttgart. „Leicht habe ich mich nicht davon getrennt“, sagt er. „Aber irgendwo muss sie ja bleiben, und hier ist sie bestimmt gut aufgehoben.“

Justus Pankau wurde 1923 in Westpreußen geboren und wuchs in Dortmund auf. Eigentlich wollte er Ingenieur werden, kam aber nach dem Zweiten Weltkrieg über einen Aushilfsjob zur Filmarbeit für die „Neue Deutsche Wochenschau“ nach Hamburg. 1954 wechselte er als Kameramann zum Südfunk nach Stuttgart. „Mit dem schwäbischen Dialekt hatte ich anfangs schon meine Schwierigkeiten“, sagt Pankau. „Immerhin habe ich die meisten verstanden.“ Später hätte er die Möglichkeit gehabt, für beinahe das doppelte Gehalt zum WDR oder auch wieder zurück nach Hamburg zu gehen. Die „kleinere, sehr familiäre, schwäbisch eigene“ Atmosphäre in Stuttgart hatte es ihm jedoch so angetan, dass er blieb.

Als er 1989 beim heutigen SWR ausschied, wollte er die Filmkamera, die ihn seit Ende der fünfziger Jahre begleitete, nicht zurücklassen und kaufte sie für 3000 D-Mark der Rundfunkanstalt ab. „Das war die einzige Kamera, die ich jemals in meinem Besitz hatte. Sie ist ein mechanisches Wunderwerk.“ Damals, so Pankau, habe die Arriflex einen Neupreis von etwa 30 000 bis 40 000 D-Mark gehabt: „Sie kostete dreimal so viel wie ein Volkswagen.“ Der heutige Wert des seltenen Stücks ist schwer zu beziffern. Es gebe kaum noch Kopieranstalten, wo die Filme entwickelt werden können, erklärt er.

Heute sei die Kamera nur noch ein Liebhaberstück. Dem Haus der Geschichte überreichte Pankau das neue Exponat im originalen, mit Stahlkanten und roter Samtverkleidung ausgestatteten Sperrholz-Koffer. „Wann und wo genau die Kamera ausgestellt wird, ist noch nicht entschieden“, sagte Paula Lutum-Lenger, Ausstellungsleiterin im Haus der Geschichte. „Wir werden aber einen guten Platz für sie finden, damit sie richtig zur Geltung kommt.“

Richtig zur Geltung gekommen ist Justus Pankau selbst vor über 50 Jahren, als er beim Bau des Stuttgarter Fernsehturms freihändig und ungesichert in schwindelerregender Höhe mit seiner Kamera auf einem Träger balancierte. Es war Zufall, dass damals noch ein anderer Kameramann zugegen war, der sein Objektiv wiederum von unten auf den balancierenden Kollegen richtete. „Diese Bilder sahen für einen Außenstehenden natürlich sensationell aus. Ich war allerdings nie für Sensationen“, sagt Pankau.

Der „richtige Film“ sei für ihn immer der Dokumentarfilm gewesen. Im Film hingegen werde alles schon vorher organisiert und geprobt. Pankau: „Es war immer wieder eine spannende Herausforderung. Das ist vergleichbar mit einer Jagd. Beim Spielfilm ist es eher wie am Schießstand: Man zielt, und wenn man nicht trifft, kann man den Schuss einfach wiederholen.“

Neben seiner Tätigkeit beim SDR/SWR drehte Justus Pankau als freier Kameramann auch Spielfilme. Für „Malatesta“ erhielt er 1970 den deutschen Filmpreis in Gold. 1981 führte er die Kamera für den Film „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Später lehrte er als Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg. Ausschlaggebend für seinen großen Erfolg war nach seinen eigenen Worten die immense „Leidenschaft und Besessenheit“, die er für seinen Beruf empfunden hat.

Am 27. Dezember hat Justus Pankau seinen 90. Geburtstag gefeiert. Mit dem üppigen weißen Bart und seiner stets gelben Kleidung gibt Pankau auch selbst ein nachhaltig wirkendes Bild ab. Während seines ersten Urlaubs in Italien habe er in einer Boutique ein gelbes Hemd und einen gelben Pullover gesehen. „Das hat mich richtig erfreut“, erzählt er. „Die Sachen leuchteten gelb wie die Sonne.“