Kunst am Bau im Hof des JVA-Neubaus in StammheimFotos:Lichtgut/Max Kovalenko Foto:  

599 Haftplätze und Personalräume lindern die Platznot im Strafvollzug.57 Millionen Euro hat das Land Baden-Württemberg insgesamt investiert. Eine bisschen stolz ist die zuständige Finanzstaatssekretärin auf eine Besonderheit.

Stuttgart - Der Gang ist mit apfelgrünem Linoleum ausgelegt, die neun Quadratmeter großen Zellen sind mit hellen Buchenmöbeln eingerichtet, vor manchen Fenstern hängen dunkelblaue Vorhänge, die Toilette befindet sich separat hinter einer Tür. So sieht sie also aus, die Alltagswelt der Häftlinge in einem der fünf neuen Unterkunftsgebäude in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart, die am Freitag in Stammheim von Finanzstaatssekretärin Gisela Splett und Guido Wolf, Landesminister für Justiz und Europa, übergeben worden ist. 559 moderne Haftplätze, 337 als Einzelzellen und 222 für Gruppen mit drei bis vier Personen, sowie Freizeiträume und Büro-und Diensträume für das Personal in der JVA sind entstanden.In den vergangenen Monaten sei die Anstalt aus allen Nähten geplatzt, sagte Wolf. „Deshalb haben wir die Fertigstellung sehnsüchtig erwartet. Die Inbetriebnahme wird ein Meilenstein der baden-württembergischen Justiz“, sagte der Minister. Überbelegungen gibt es auch in anderen JVAs im Lande, die jetzt auch von Stuttgart profitieren können.

Abstand vom Deutschen Herbst gewinnen

Vor fünf Jahren wurde mit dem viergeschossigen Neubau mit über 10 000 Quadratmetern begonnen. Der Zellenbau 3 aus dem Jahr 2005 wurde in die neue Gebäudestruktur integriert. „Mit den neuen Unterkunftsgebäuden berücksichtigen wir die Anforderungen an einen zeitgemäßen Strafvollzug“, sagte Gisela Splett, die auch ein bisschen stolz ist auf die neue Heizzentrale mit zwei Blockheizkraftwerksmodulen, mit denen 150 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden werden können. Sternenbilder, die tagsüber als Sitzbänke benutzt werden können, erstrahlen in der Nacht als Lichtinstallationen in den Nordhöfen, in den Südhöfen sorgt der sogenannte Town-Tuin-Zaun, der in einem Workshop mit Gefangenen entstanden ist, im Freigang für Kunst am Bau. Hierbei sind die Künstler mit ganz anderen Lebensentwürfen in Berührung gekommen.

57 Millionen Euro hat das Land Baden-Württemberg insgesamt investiert. Stammheim steht bislang vor allem für den Deutschen Herbst und seine bis heute aufwühlenden Ereignisse durch die Rote-Armee-Fraktion. 40 Jahre später sollen die neuen Unterkunftsgebäude der JVA Stuttgart nach Wunsch von Anstaltsleiter Matthias Nagel auch für eine Zäsur stehen. „Wir wollen vom Deutschen Herbst Abstand gewinnen“, sagt Nagel. Und obwohl der Bau 1 erhalten bleibt, solle sich der Schwerpunkt der Arbeit in die neuen Gebäude verlagern.

Videodolmetscher im Einsatz

Dem stimmt auch Guido Wolf zu. „Stammheim hat sich weiterentwickelt und ist jetzt wieder ein Begriff für Justizvollzug“, sagt Wolf. Die Veränderungen sind aber noch längst nicht abgeschlossen. Für psychisch auffällige Häftlinge wird ein Krankenhaus mit 205 Zellen entstehen, zudem ist eine Sporthalle geplant, und „wir wollen, dass deutlich mehr Untersuchungshäftlinge arbeiten können.“ 65 Prozent der einsitzenden Personen in Stammheim haben einen Migrationshintergrund, der auch zu Sprachbarrieren in der täglichen Arbeit führt. Auch hier will das Land ansetzen. Schon jetzt wird mit Videodolmetschern gearbeitet, und es sollen mehr Sprachkurse für die Bediensteten angeboten werden. Für 2017 werden im Land 67 neue Stellen im Vollzug geschaffen – in den kommenden beiden Jahren sind 150 weitere geplant.