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Wörz' Anwalt sagte, es gebe einen "dringenden Verdacht" gegen den damaligen Geliebten des Opfers.

Mannheim - Mehr als zwölf Jahre nach dem versuchten Totschlag an einer Pforzheimer Polizistin hat die Verteidigung vor dem Landgericht Mannheim erneut den Freispruch des Angeklagten Harry Wörz beantragt. Im mittlerweile dritten Prozess gegen den 43-jährigen Installateur aus Birkenfeld (Enzkreis) sehen die beiden Verteidiger den damaligen Geliebten des Opfers als Hauptverdächtigen - ebenfalls ein Beamter der Pforzheimer Polizei. Damals sei einseitig zulasten von Wörz ermittelt worden, kritisierte Rechtsanwalt Ralf Neuhaus am Dienstag in Mannheim: "Man hat den Kollegen behandelt wie ein rohes Ei."

Wörz selbst beteuerte seine Unschuld, wie in sämtlichen Prozessen zuvor: "Ich kann nur betonen, dass ich das nicht war." Sein emotionales Schlusswort galt vor allem seinem inzwischen 14-jährigen Sohn, der in der Tatnacht im April 1997 als Zweijähriger mitansehen musste, wie seine - seither schwerst geschädigte - Mutter mit einem Wollschal beinahe erdrosselt worden wäre: "Ich kann nur hoffen, dass mein Sohn irgendwann erkennt, dass sein Papa seiner Mama nichts angetan hat."

Nach den Worten des Verteidigers Hubert Gorka hatte Wörz damals weder ein Motiv, noch gebe es hinreichende Indizien dafür, dass er in der Tatnacht in der Wohnung des Opfers gewesen sei. Nach der Trennung von seiner Frau habe er damals bereits eine neue Beziehung gehabt, und wegen des Besuchsrechts für seinen Sohn hätten ihm seine Anwältin und das Jugendamt noch kurz vor der Tat Hoffnung gemacht. "Es gab keinen Konflikt, keine Drohung", so Gorka. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Wörz vergangene Woche neuneinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags beantragt.

Dagegen sieht Gorka einen "dringenden Verdacht" gegen den Ex- Geliebten. Beide - seine Ehefrau und seine Geliebte - hätten damals eine Entscheidung erzwingen wollen. Seine Frau habe ihm Stunden vor der Tat ultimativ mit Trennung gedroht, sollte er die Beziehung fortsetzen. Auch die Geliebte habe Klarheit haben wollen: "Entweder ganz oder gar nicht", zitierte Gorka aus ihrem Tagebuch. "Dort gab es Konfliktpotenzial, dort kann man nach Motiven suchen." Neuhaus bezeichnete es als völlig unglaubwürdig, dass sich der Polizist bei seiner Vernehmung im Prozess an die dramatischen Ereignisse kurz vor dem Verbrechen nicht mehr erinnern wollte. "Das ist gelogen", sagte der Verteidiger.

In dem beispiellosen Verfahren hatte das Landgericht Karlsruhe Harry Wörz 1998 in einem Indizienprozess wegen versuchten Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt. Vier Jahre und sieben Monate saß er in Haft, dann wurde er freigelassen und in einem aufsehenerregenden Wiederaufnahmeverfahren vom Landgericht Mannheim freigesprochen. 2006 kippte allerdings der Bundesgerichtshof den Freispruch wegen rechtlicher Fehler und ordnete einen dritten Prozess an.

Harsche Kritik übten die Verteidiger an den Ermittlungen der Polizei unmittelbar nach der Tat. Die Beamten hätten immer nur nach Indizien für eine Täterschaft von Wörz gesucht. Die Polizei habe - absichtlich oder unabsichtlich - die Staatsanwalt derart getäuscht, dass man das Verfahren eigentlich hätte einstellen müssen, sagte Gorka. Die Spurensicherung nannte er "ungenügend" - der Tatort sei ungesichert gewesen, sogar der verdächtige Geliebte und der anfangs ebenfalls verdächtige Vater des Opfers, ebenfalls Polizist, hätten Zugang gehabt. Zudem seien im Laufe des Verfahrens Aktenvermerke und Asservate verschwunden. "Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die anderen Verdächtigen einer anderen Berufsgruppe angehörten als Wörz."