Carles Puigdemont muss entgegen dem Willen der Generalstaatsanwaltschaft nicht in Haft. Foto: AP

Die Anklagebehörde beantragt erneut Haftbefehl gegen den katalanischen Separatistenführer. Sie hat damit keinen Erfolg. Das juristische Tauziehen geht in eine neue Runde.

Stuttgart - Nach neuen Hinweisen der spanischen Regierung wollte Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwaltschaft den katalanischen Ex-Regierungschef Carles Puigdemont erneut in Auslieferungshaft nehmen. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig wies den Antrag zurück. Der 55-Jährige Puigdemont, der am 25. März auf der Rückfahrt von Skandinavien nach Belgien auf der Autobahn 7 in Schleswig-Holstein festgenommen wurde, darf sich innerhalb Deutschlands weiterhin frei bewegen. Das juristische Verfahren um eine Auslieferung dauert somit an.

Der verwirrende Rechtsstreit um den katalanischen Separatistenführer lässt sich besser verstehen, wenn man das Geschehen in zwei Punkten gedanklich voneinander trennt. Zum einen geht es um die Überstellung nach Spanien, zum anderen um eine Haft bis zu einer möglichen Auslieferung. Darüber, ob Puigdemont an Spanien überstellt wird, ist noch nicht entschieden worden. Die Generalstaatsanwaltschaft ist nach eigenen Angaben gerade dabei, einen entsprechenden Antrag zu formulieren – der dann noch vom Gericht geprüft und entschieden werden muss.

Neue Bilder aus Barcelona

In der nun bekannt gewordenen Entscheidung geht es allein um eine mögliche Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte dies beantragt, nachdem sie Kenntnis von neuen Bildern aus Barcelona erlangt hatte. Darauf sollen Demonstranten zu sehen gewesen sein, die Gewalt gegen Polizisten eingesetzt hatten. Die Frage des Gewalteinsatzes beim Streben nach Unabhängigkeit ist in dem Verfahren ein zentraler Bestandteil.

Spanien wirft Puigdemont Rebellion sowie die Veruntreuung öffentlicher Gelder vor und fordert seine Auslieferung. Diese wäre nur dann möglich, wenn der spanische Vorwurf der Rebellion auch in Deutschland strafbar wäre. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte im April entschieden, dass eine Auslieferung wegen Rebellion „von vornherein unzulässig“ ist. Das Merkmal der Gewalt, das sowohl bei der spanischen „Rebellion“ als auch beim deutschen Pendant „Hochverrat“ erforderlich ist, sei nicht in ausreichendem Maße erfüllt. Die Richter rechnen Puigdemont zwar die Gewalt katalonischer Demonstranten zu und folgen damit im Ansatz der spanischen Argumentation. Allerdings sei das Ausmaß der Gewalt nicht geeignet gewesen, so starken Druck auf die spanische Regierung auszuüben, dass dies ihren Willen hätte beugen können.

Generalstaatsanwaltschaft sieht Fluchtgefahr

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in den neuen Videos genügend Gründe gesehen, erneut einen Antrag für eine Inhaftnahme Puigdemonts zu erlassen. „Die Ausschreitungen hatten ein solches Ausmaß, dass die Generalstaatsanwaltschaft davon ausgeht, dass auch wegen des Vorwurfs der Rebellion auszuliefern ist“, teilte die Behörde mit. Demnach sei nach deutschem Recht nicht nur eine Strafbarkeit wegen Hochverrats, sondern auch wegen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall möglich. Deshalb sei von einer erhöhten Fluchtgefahr auszugehen, argumentierte die Staatsanwaltschaft.

Das Oberlandesgericht folgte dieser Argumentation nicht. Puigdemont wurde im April nach der Hinterlegung einer Kaution von 75 000 Euro aus dem Gefängnis von Neumünster entlassen und darf die Bundesrepublik nicht verlassen. Er muss sich wöchentlich bei der Polizei melden. Gegen eine Fluchtgefahr des Separatistenführers spricht vor allem, dass der von Spanien erwirkte EU-Haftbefehl bei einer Ausreise wieder aufleben könnte. In jedem anderen europäischen Land drohten Puigdemont nicht nur die Festnahme, sondern möglicherweise auch eine Auslieferung gerade wegen dem Vorwurf der Rebellion. Die kann in Spanien mit 30 Jahren Gefängnis bestraft werden. Wegen Untreue drohen maximal acht Jahre Haft.