Die Moderatorin Doaa Salah wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Foto:  

Mit teils spektakulären Strafen will das Regime von Abdel Fattah al-Sisi von der Wirtschaftsmisere ablenken.

Kairo - Shyma Ahmed träumte von einer Karriere als Popsängerin. Und so stellte die attraktive Ägypterin einen Musikclip ins Internet, in dem sie leicht bekleidet an einem roten Apfel leckt und in Zeitlupe in eine Banane beißt, während ihr im Gegenschnitt junge Kerle mit aufgerissenen Augen zusehen. Der 21-Jährigen brachte ihr laszives Video jetzt zwei Jahre Gefängnis und 500 Euro Geldstrafe ein. Mit ihrem Auftritt habe sie zur Unzucht angestiftet, befand das Gericht in Kairo. Das gleiche Strafmaß, gegen das eine Berufung möglich ist, erhielt der Regisseur des Streifens, welchen die ägyptische Regimepresse lautstark als Beweis für die Verdorbenheit der Jugend anprangerte.

Und so soll das drastische Urteil ein Exempel statuieren, genauso wie zuvor im Fall von Doaa Salah, einer Moderatorin des TV-Senders Al-Nahar. Sie hatte in ihrer Show Sex vor der Ehe empfohlen und erklärt, eine Frau könne auch ohne Mann ein Kind aufziehen. Jungen Frauen legte sie nahe, sie könnten einen Mann lediglich heiraten, damit er ihnen ein Kind zeugt, und sich dann wieder von ihm scheiden lassen. Ein ägyptisches Gericht konnte diesen Ratschlägen nichts abgewinnen und verurteilte die Fernsehfrau „wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses“ zu drei Jahren Gefängnis.

Das Regime stützt sich auf einen Reigen von Gummiparagrafen

Mit solchen spektakulären Gerichtsstrafen gegen angebliche Unmoral will das Regime von Abdel Fattah al-Sisi bei der Bevölkerung Punkte machen und von der wachsenden wirtschaftlichen Misere ablenken. Weite Teile der Gesellschaft, egal ob Muslime oder auch koptische Christen, haben in puncto Sexualität und Geschlechterrollen sehr konservative Vorstellungen. Zudem hoffen der Ex-Feldmarschall und seine Getreuen, die strengislamische Anhängerschaft der brutal unterdrückten Muslimbrüder milder zu stimmen, wenn sie hart durchgreifen und für eine Gesellschaft nach strengislamischen Moralvorstellungen sorgen. Beflissen applaudierte dann auch die sunnitische Lehranstalt Al-Azhar dem neuen Kurs. Man mache Front gegen extremistische Gruppen, „die die Sicherheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden“, hieß es.

Das Regime stützt sich dabei auf einen Reigen von Gummiparagrafen wie die „Verletzung der Lehren des Islam“ oder „Gefahr für die öffentliche Moral“, der Staatsanwälten und Gerichten große Spielräume erlaubt. So läuft seit Monaten eine Kampagne der Sicherheitsbehörden gegen Homosexuelle, obwohl schwule Beziehungen nach ägyptischem Recht bisher nicht strafbar sind. Trotzdem wurden letzte Woche 14 Männer wegen „ihrer abnormen sexuellen Beziehungen“ zu je drei Jahren verurteilt. Sie können ebenfalls Berufung einlegen und kamen vorerst gegen Kaution frei. Ausgelöst wurde die jüngste Verhaftungswelle, die insgesamt mehr als 50 Menschen hinter Gitter brachte, durch ein Konzert der libanesischen Band Mashrou Leila in Kairo. Deren Sänger ist schwul, einige seiner Fans schwenkten die Regenbogenflagge der Schwulen- und Lesbenbewegung. Nach Angaben von Human Rights Watch wurden die Festgenommenen demütigenden Zwangsuntersuchungen im Analbereich unterzogen.

Insgesamt spricht die Menschenrechtsorganisation von einer scharfen Eskalation gegenüber Homosexuellen, zumal der Abgeordnete Riad Abdel Sattar von der säkularen Partei der Freien Ägypter kürzlich einen Gesetzentwurf im Parlament einbrachte. Dieser sieht vor, Homosexuelle künftig bis zu drei Jahren Gefängnis zu bestrafen genauso wie alle Bürger, die sich öffentlich für Toleranz gegenüber Schulen und Lesben einsetzen.