Leon Hahn (26) ist seit 2015 Landesvorsitzender der Jusos. Foto: dpa

Der baden-württembergische Landeschef der Jusos, Leon Hahn, lehnt eine Neuauflage der großen Koalition im Bund ab. Er fordert einen Mitgliederentscheid darüber, ob die SPD mit der Union verhandeln soll.

Stuttgart - Leon Hahn, der Landeschef der Jusos in Baden-Württemberg, fordert einen Mitgliederentscheid über die Frage, ob die SPD in eine weitere große Koalition gehen soll. Er selbst lehnt diese jedenfalls ab. Im Interew erklärt er, weshalb.

Herr Hahn, die Jusos fordern die SPD-Führung auf, nicht mehr in eine große Koalition zu gehen. Wollen Sie die Partei spalten?
Wir erleben in der SPD gerade eine sehr verantwortungsvolle Debatte über den richtigen Weg. Einerseits haben wir eine staatspolitische Verantwortung, Neuwahlen um jeden Preis zu verhindern. Andererseits entspricht es auch dieser Verantwortung, zu sagen: Es tut dem Land nicht gut, wenn die zwei Volksparteien in zwölf von 16 Jahren gemeinsam regieren. Das stärkt die extremen Ränder. Wir Jusos in Baden-Württemberg halten den Weg in die große Koalition daher für falsch. Wir wollen allerdings noch vor Sondierungen einen Entscheid der Mitglieder haben, um genau eine solche Spaltung der Partei zu verhindern. Es wäre auch denkbar, mit den Mitgliedern darüber zu reden, welche Inhalte in einer Vereinbarung enthalten sein müssen.
Wird der Bundesparteitag nächste Woche über diese grundsätzliche Frage abstimmen?
Ich erwarte, dass der Parteivorstand dem Parteitag einen konkreten Zeitplan vorlegt, wie weiter vorgegangen werden kann. Klar ist: Man kann den Parteitag nicht vertrösten und drei Wochen später Nägel mit Köpfen machen. Es muss ein Beschluss her, der tragfähig ist. Ein blindes Rennen in eine große Koalition findet zumindest aktuell wohl keine Mehrheit in der SPD.
Was ist bei einem Ja der Mitglieder: werden Sie das Ergebnis dann akzeptieren oder weiter gegen die große Koalition Front machen?
Wir Jusos haben eine andere Vision von diesem Land. Deswegen glauben wir, dass es mit der Union nicht erneut möglich ist, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Die Gemeinsamkeiten sind erschöpft. Das Ergebnis eines Mitgliederentscheids wäre dennoch natürlich bindend und als Teil einer innerparteilichen Demokratie zu akzeptieren.
Der interne und externe Druck, in die Regierungsverantwortung zu gehen, ist mindestens genauso groß wie die Abneigung gegen eine neue „Groko“?
Beide Wege bringen Vor- und Nachteile mit sich. Klar ist, dass es am Ende vorrangig um die Inhalte gehen muss. Mir fehlt im Moment die Fantasie dafür, dass es in der Union ausreichend Bewegung gibt, um zentrale Forderungen der SPD wie mehr Europa, die Bürgerversicherung oder eine Bekämpfung des Niedriglohnsektors durchzusetzen. Solange da keine Angebote sind, sehe ich keine Grundlage für eine Koalition.
Die Wähler haben der SPD ihre Stimme zum Regieren gegeben. Machen Sie die Partei nicht politikunfähig, wenn Sie eine große Koalition ausschließen?
Die Wähler haben der SPD den Auftrag gegeben, für ihre Inhalte zu kämpfen. Die SPD hat eine Verantwortung für die Wähler, aber auch für die gesamte Demokratie. Deswegen müssen alle Möglichkeiten, etwa eine Minderheitsregierung, gründlich abgewogen werden. Wenn wir unsere Inhalte dort durchsetzen könnten, würden die Mitglieder dem wohl zustimmen.
Der Bundespräsident hat den Druck erhöht – sind Sie enttäuscht von ihm?
Es ist seine Aufgabe, im Rahmen des Grundgesetzes Anstrengungen zu unternehmen, um eine Regierungsbildung zu ermöglichen. Ich empfinde seine Arbeit als respektvoll und verantwortungsbewusst.
Im Grunde ist der Bundespräsident doch nur ein Feigenblatt für Schulz, um eine Kehrtwende hin zur großen Koalition zu erklären?
Auch die SPD muss reagieren, wenn Angela Merkel keine Regierung zustande kriegt und die FDP Jamaika scheitern lässt. Der Vorsitzende führt genau diese Debatte, die wir von ihm erwarten. Fakt ist: Am Ende müssen die Mitglieder entscheiden und nicht nur Martin Schulz.
Ist Schulz nur noch geduldeter Parteichef?
Martin Schulz tritt beim Parteitag zur Wahl des Vorsitzenden an und wird die SPD davon überzeugen müssen, dass sein Weg der richtige ist. Die Person des Parteivorsitzenden muss gerade bei möglichen Verhandlungen nach außen Rückhalt erwarten können. Eine Gegenkandidatur ist mir aktuell nicht bekannt.
Ein starkes Plädoyer hört sich anders an?
Die SPD ist im schwierigen Fahrwasser, und Martin Schulz versucht einen Weg zu finden, wie wir da mit Haltung herauskommen können. Da ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Personaldebatten.

Die Fragen stellte Matthias Schiermeyer.