Am bundesweiten Projekt Juniorwahl haben sich auch vier Klassen der Albert-Schweitzer-Gesamtschule in Fellbach beteiligt. Die Sportgymnastin Darja Varfolomeev war ebenfalls dabei.
Wird Friedrich Merz der neue Kanzler? Welche Koalition regiert Deutschland die nächsten vier Jahre? Wie brüchig ist die Brandmauer nach Rechtsaußen? Die Spannung kurz vor dem Urnengang an diesem Sonntag steigt – allgemein im Land und insbesondere auch in Schmiden. Denn die dortige Albert-Schweitzer-Gesamtschule beteiligt sich erstmals an dem Projekt Juniorwahl in Deutschland – mit 66 Schülerinnen und Schülern aus den Klassenstufen 9 und 10 der Gesamtschule im Fellbacher Stadtteil.
Das Klassenzimmer B0.01 wurde hierfür zu einem Wahllokal umfunktioniert – mit zwei Wahlkabinen für die Stimmzettel und mitten im Raum mit einer Wahlurne, die zuvor auf ihren einwandfreien Zustand geprüft und dann verplombt und versiegelt wurde.
Wahlvorstand bestens vorbereitet
Um 8.35 Uhr harrt der dreiköpfige Wahlvorstand der Dinge: Es sind Luis Binder, Vincent Himmelsbach und Yeshi Tefhome. Die drei wurden von den Gemeinschaftskundelehrerinnen Nina Wik (Klassenlehrerin der 9a) und Dagmar Amort (9b) auf die anspruchsvollen Aufgaben vorbereitet. „Sie haben sich zuvor intensiv damit beschäftigt, dass sie heute absolut autark ihr Amt als Wahlvorstand wahrnehmen können und auch keine Ratschläge mehr von uns benötigen“, sagt Pädagogin Wik.
Die ersten Wähler trudeln ein – und müssen Ausweis oder zumindest eine AOK-Karte vorzeigen, um die Stimmzettel zu erhalten. Das gilt auch für einen Promi wie die Sportgymnastin Darja Varfolomeev, die als Zehntklässlerin nicht nur in der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule, sondern als mehrfache Olympiasiegerin fast weltweit bekannt ist. Sie zeigt Wahlvorstand Luis Binder ihren „Perso“ – und bekommt nach dessen akkurater Prüfung den Stimmzettel ausgehändigt.
Für die 18-Jährige ist es in diesen Tagen bereits das zweite Mal, dass sie ihre Kreuzchen machen darf. Denn die junge Frau, die im Internat des Bundesstützpunkts des Deutschen Turner-Bundes in Schmiden wohnt, ist schließlich seit 4. November vergangenen Jahres volljährig und darf somit auch „in echt“ wählen. Das hat sie per Briefwahl längst erledigt, wie sie anschließend im Schulflur erläutert: Denn direkt ins wahre Wahllokal kann sie an diesem Sonntag gar nicht gehen, weil sie dann nämlich bei einem internationalen Wettkampf in Italien weilt.
Wen sie gewählt hat, verrät die prominente Schülerin natürlich nicht. Aber dass sie bei der Juniorwahl gleich abstimmt wie zuvor bei der Briefwahl, das schon. Wie ihre beiden Mitschüler aus der 10a, Philippos Tsartsidis und Emil Stoppel, die direkt davor ihre Stimmzettel in die Urne geworfen haben, hat sie sich in den vergangenen Wochen im Unterricht intensiv mit der Wahl beschäftigt.
Da ging’s um Erststimmen und Zweitstimmen oder um die Direktkandidaten für den Wahlkreis Waiblingen, zu dem auch Schmiden gehört. An der Glaswand am Klassenzimmer hängen denn auch die Fotos der Politiker samt einem von den Schülern aufnotierten Lebenslauf. Bei der CDU-Bundestagsabgeordneten Christina Stumpp steht beispielsweise handschriftlich unter „Besonderheiten“: „Hat im Finanzamt gearbeitet und war im Landestag Baden-Württemberg.“ Bei Stephan Seiter (FDP) steht: „Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre.“
Alle Schüler haben sich umfassend mit Infos versorgt und den Wahl-O-Mat als Hilfestellung genutzt. „Es hat echt Spaß gemacht, herauszufinden, welcher Politiker für welche Position steht“, berichtet der 15-jährige Emil. Da geht’s etwa um den Umgang mit Migranten oder um die Haltung in Sachen Umweltschutz. Es waren intensive Auseinandersetzungen: „Das Feedback war gut, alle waren ernsthaft dabei“, sagt Dagmar Amort. Eine Schülerin gestand beispielsweise: „Das hätte ich nicht gedacht, dass Politik so anstrengend ist, wenn man am Ende den Durchblick haben möchte.“
Zur Vorbereitung gehörte übrigens auch ein Besuch im Landtag in dieser Woche. Per Bus und Stadtbahn ging’s von Schmiden nach Stuttgart. „Ich wusste, dass das irgendwo bei der Oper ist“, sagt der 16-jährige Philippos. Den Bundestag in Berlin hat er schon mal von außen gesehen – im Vergleich dazu sei der Landtag „viel kleiner“ gewesen. Im Plenarsaal durften die Schüler Platz nehmen – „und zwar dort, wo sonst die SPD sitzt“ – und Fragen an drei Abgeordnete aus den Wahlkreisen Waiblingen, Backnang und Schorndorf stellen: Julia Goll (FDP), Ralf Nentwich (SPD) und Christian Gehring (CDU).
„Cool war, dass wir anschließend auch den Ministerpräsidenten wählen durften“, berichtet der 16-jährige Finn Keller. Vorne bei der Abstimmung lag dann als neue Regierungschefin eine grüne Kandidatin.
Ergebnis wird im Unterricht beleuchtet
Und wer wird Kanzler? Die Stimmzettel in Schmiden sind mittlerweile ausgezählt – das Ergebnis weiß allerdings nur der Wahlvorstand, und der ist bis zur Bekanntgabe des bundesweiten Wahlergebnisses am Sonntag um 18 Uhr zur Verschwiegenheit verpflichtet. Im Unterricht am Montag wollen die beiden Lehrerinnen mit ihren Schülerinnen und Schülern das echte wie das Schmidener Ergebnis analysieren.
25 Jahre Juniorwahl
Juniorwahl
Seit einem Vierteljahrhundert gibt es das Projekt Schulprojekt Juniorwahl in Deutschland. Mehr als 7,4 Millionen Jugendliche haben sich in diesen 25 Jahren beteiligt – sei es bei Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen. An der derzeitigen Juniorwahl zum Deutschen Bundestag beteiligen sich mehr als 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler an gut 5000 Schulen.
Ergebnis
Das Gesamtergebnis der Juniorwahl wird am Wahlsonntag um 18 Uhr veröffentlicht – unter www.juniorwahl.de.