Foto aus einem Gymnasium: Jungs tun sich im Schnitt schwerer in der Schule Foto: dpa

Gleichberechtigung scheint immer noch ausschließlich Frauenförderung zu bedeuten. Anders lasse sich nicht erklären, dass die Politik auf die Schulprobleme von Jungs nicht reagiere, meint Rainer Wehaus in seinem Kommentar.

Stuttgart - Wenn Frauen rein statistisch irgendwo im Minus sind, reagiert die Politik mit Übereifer: Da werden flächendeckend Frauenbeauftragte vorgeschrieben oder Firmen zur Offenlegung der Gehälter gezwungen. Denn die anderen Werte für Frauen resultieren angeblich nie daher, dass Frauen sich einfach nur anders verhalten. Es werden immer strukturelle Benachteiligungen ausgemacht, die einen politischen Eingriff erzwingen.

Gleichberechtigung ist Frauenförderung – das ist Old School

Wenn Jungs und Männer irgendwo schlechter dastehen, wird von Seiten der Politik plötzlich ganz anders argumentiert. Niedrigere Lebenserwartung? Dann sollen die Männer halt gesünder leben und öfter zum Arzt gehen! Schlechter in der Schule? Dann sollen die Jungs eben im Unterricht besser aufpassen, nicht so viel Blödsinn machen und mehr lernen! Die unterschiedlichen Reaktionen sind Reflexe, angeeignet in den vergangenen Jahrzehnten, in denen Gleichberechtigung immer nur Frauenförderung war.

Der Unterricht muss besser werden – für alle

Auch das aktuelle Achselzucken im Stuttgarter Kultusministerium passt in dieses Schema. Jungs als Bildungsverlierer? Ja, irgendwie schon. Aber was soll man machen? Ist halt so. Dabei gäbe es durchaus Grund zum Handeln, denn junge Männer ohne Perspektive sind sozialer Sprengstoff erster Güte. Es reicht nicht aus, die Lehrer für das Thema nur zu „sensibilisieren“, wie es das Kultusministerium formuliert. Das ganze Schulsystem, der ganze Unterricht muss sehr viel stärker von den Kindern her gedacht werden. Mädchen kommen meist auch mit schlechten Lehrern irgendwie zu Recht, Jungs weniger. Die Schulprobleme der Jungs offenbaren vor allem, dass es bei der Qualität des Unterrichts insgesamt noch viel Luft nach oben gibt. Hier gilt es anzusetzen. Damit Jungs besser mit der Schule klarkommen. Und Mädchen auch.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de