Der Esslinger Daniel Krusic ist seit kurzem Vorsitzender der Jusos in Baden-Württemberg. Er spricht darüber, warum Umfragen zufolge junge Leute wenig Vertrauen in Parteien haben. Und sagt, dass diese und das politische System sich ändern sollten.
Damit, dass Olaf Scholz Christian Lindner endlich rausgeschmissen habe, setze er ein wichtiges Zeichen, sagt Daniel Krusic in die Kamera – Ende vergangener Woche geht das Video des Esslingers auf seinem eigenen Tiktok- und Instagram-Kanal und dem der Landes-Jusos online. Krusic erläutert mit ernstem Blick seinen Standpunkt. Diese Botschaft soll die Zielgruppe der Jugendorganisation der SPD erreichen: junge Leute, die Informationen gerne via Social Media konsumieren – und die sogenannten etablierten Parteien gegenüber häufig skeptisch sind, wie verschiedene Umfragen zeigen. Die SPD, aber auch die CDU verlieren seit Jahren Mitglieder, Jüngere sind unterrepräsentiert. Der 26-jährige Krusic hat dagegen viel Vertrauen in Parteien und ist im September zum Landesvorsitzenden der Jusos gewählt worden. Aber der Esslinger sieht auch die Probleme seiner SPD, der Parteien und der deutschen Demokratie an sich. „Wir müssen diese Strukturen ändern, damit wieder mehr Menschen in diese Partei reinkommen und sich beteiligen können.“
Welche Herausforderungen politisches Engagement mit sich bringt, das hat Krusic erst kürzlich wieder selbst erlebt. Nach der Wahl zum Vorsitzenden der Jusos in Baden-Württemberg habe sich sein Leben stark verändert. „Ich glaube, ich habe so vier, fünf Stunden am Tag nur am Handy gehangen und mein Akku hat sehr darunter gelitten“, sagt der 26-Jährige. Schwierigkeiten habe ihm bereitet, sich in die Strukturen und Abläufe im Landes- und Bundesverband einzuarbeiten, sagt der frühere Vorsitzende des Juso-Kreisverbands Esslingen. „Ich habe mich mit unterschiedlichen Leuten vernetzt und darüber gesprochen, wie es möglich ist, Einfluss zu gewinnen und Themen zu setzen.“ All das sei auch anstrengend gewesen neben seinem Vollzeitjob.
Demotivieren lässt sich Krusic eigener Aussage nicht von diesen Herausforderungen. „Aber ich kann schon manchmal verstehen, wenn Leute frustriert sind.“ Er wolle Hürden abbauen in den Ämtern, in die er reinkomme, damit sich Leute beteiligen können. „Junge Menschen sind auch politisch, genauso wie die Erwachsenen. Der Unterschied ist nur, dass wir Strukturen geschaffen haben über die vergangenen Jahrzehnte, die auf Erwachsene ausgerichtet sind.“ Es gehe viel um Richtlinien und Formalien, das habe er schon in der Zeit als Jugendgemeinderat in Leinfelden-Echterdingen erfahren. Das Gremium war von Krusic und Mitstreitern initiiert worden. Über sein Ehrenamt in der Arbeit mit Geflüchteten 2015 war Krusic in Berührung mit dem Jugendgemeinderat Filderstadt gekommen. „Ich habe mir gesagt, das ist ja eine coole Idee, warum funktioniert das bei uns nicht?“
Junge wünschen sich zügigere Entscheidungen
Einen Mentor, der ihn in die Politik eingeführt hat, habe er nie gehabt. Wohl weil er sich alles selbst habe aneignen müssen, hinterfrage er vorhandene Strukturen, glaubt Krusic. „Junge Menschen werden in ihrer Flexibilität oder Kreativität ausgebremst, da ist die Frustration oft groß.“ Man wünsche sich zügigere Entscheidungen für zum Teil Kleinigkeiten, wie etwa Gelder für einen Skatepark. „Diese Gremienarbeit ist nicht auf junge Menschen ausgerichtet und deswegen finden sich diese halt in anderen Gruppen wieder, die anders arbeiten. Das haben wir bei Fridays for Future gesehen.“
Warum also ist Krusic mit 26 Mitglied der SPD? Seine Mutter sei während des Bosnienkrieges nach Deutschland geflohen, erzählt er. Vor mehr als zehn Jahren sei die Familie in ihre Heimat gereist, um das Elternhaus anzusehen – doch davon sei nicht mehr viel übrig gewesen. Laut Krusic ein prägendes Erlebnis. „Uns geht es hier so gut. Aber es gibt Menschen da draußen, denen geht es einfach auch ganz viel schlechter.“ Er wolle der Gesellschaft etwas zurückgeben. Die Politik sei für ihn die Möglichkeit. „Ich habe sehr viel Vertrauen in Parteien. Diese Zuspitzung auf Personen finde ich sehr gefährlich“, sagt Krusic und verweist implizit auf Donald Trump und dessen Anhänger, aber auch auf Entwicklungen in Deutschland wie das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Viele möchten sich kurzzeitig engagieren
Die Informationsweitergabe und -aufnahme wird jedoch gerade über die sozialen Medien immer personalisierter. Das sieht Krusic kritisch. „Viele ziehen sich zurück in eine Welt, die die eigene Meinung widerspiegelt.“ Auf der anderen Seite sieht auch der Juso-Chef die sozialen Medien als wichtig an, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Aber es gebe auch andere Orte, etwa Schulen, Vereine oder Plätze, an denen man abends mal was trinken gehe. „Wir sollten von der Erwartung wegkommen, dass die Jungen zu uns kommen müssen“, sagt Krusic. Zugleich müsse angesichts der größeren Mobilität der Menschen, die fürs Studium oder den Job oft umziehen, die Schwelle zum Einstieg ins Engagement gesenkt werden und die Möglichkeiten geschaffen, sich auch nur kurzzeitig zu beteiligen. „Dieses Ehrenamt und diese Politik müssen sich dahingehend verändern, schneller auf Gegebenheiten zu reagieren, ohne dabei die Contenance zu verlieren. Das ist eine Herausforderung. Aber Politik ist ein Prozess und Demokratie lebt davon, dass sich Menschen einbringen.“
Daniel Krusic: Seit vielen Jahren engagiert
Jusos und SPD
Daniel Krusic hat fünf Jahre lang den Juso-Kreisverband Esslingen geleitet. Im September wurde er bei der Delegiertenkonferenz in Mannheim zum Landesvorsitzenden gewählt. Krusic ist im Vorstand des Esslinger SPD Ortsvereins. Bei der Kommunalwahl 2024 war er Kandidat für den Gemeinderat, zog aber nicht ein.
Weiteres Engagement
Der 26-Jährige, der in seiner Jugend in Leinfelden-Echterdingen gelebt hat und mittlerweile in Esslingen wohnt, ist Mitglied im Vorstand des Stadtjugendrings Esslingen und war an der Organisation des ersten Christopher Street Days 2023 beteiligt. Er strebt eine Ausbildung in einer Kommunalverwaltung an und arbeitet derzeit in der Produktion eines Industriebetriebs in der Region.
Über seine Karrierewünsche
und weitere Themen spricht Daniel Krusic im Podcast der Eßlinger Zeitung unter: https://ez-talk.esslinger-zeitung.de .