Rund die Hälfte der befragten Mädchen und jungen Frauen haben Gewalterfahrungen gemacht. Foto: dpa/Annette Riedl

Eine Umfrage bei Mädchen und jungen Frauen in Nürtingen zeigt teils bestürzende Ergebnisse auf. Demnach gehören Gewalt und Diskriminierung im Alltag zu den sehr verbreiteten Erfahrungen.

Teils bestürzende Ergebnisse präsentiert die Befragung in Nürtingen, die die Situation von Mädchen und jungen Frauen in deren sozialen Umfeld beleuchtet. Unter Federführung des Trägervereins Freies Kinderhaus Nürtingen sind im Jahr 2023 rund 900 Mädchen und junge Frauen im Alter von zehn bis 18 Jahren im Rahmen des Projekts „Beteiligt und repräsentiert! – Mädchen und junge Frauen in Nürtingen“ nach ihren Bedürfnissen und Wünschen befragt worden. Die Ergebnisse wurden in einer Broschüre zusammengefasst.

 

„Die Anliegen von Mädchen und jungen Frauen werden in der Öffentlichkeit oft übersehen und finden selten ausreichend Berücksichtigung“ heißt es in der Bestandsaufnahme, die Anneli Bialek, Nicole Jäckel, Susanne Käppler und Julia Rieger von der Projektgruppe Mädchen in der Jugendwerkstatt und Kinder-Kultur-Werkstatt des Trägerverein Freies Kinderhaus unterzeichnet haben.

Wie die Autorinnen mitteilen, hat „ein alarmierender Anteil Gewalterfahrungen gemacht“. Dazu zählen seelische und körperliche Gewalt, die von den jüngeren Mädchen bis 14 Jahren von einem Viertel erlebt worden sind. Bei den jungen Frauen ab 15 Jahren geben 50 Prozent an, bereits Gewalt von Gleichaltrigen und vor allem von Erwachsenen ausgesetzt gewesen zu sein. „Männer begaffen einen und sprechen einen mit unangemessenen Äußerungen an“, „Männer gucken dir lange hinterher, hupen dich an, labern dich an“, erklären Befragte.

Am Bahnhof und am ZOB fühlen sich junge Frauen häufig nicht sicher. Foto: Ines Rudel

Sie wünschen sich mehr Schutz durch die Polizei und mehr Angebote zum Thema Selbstschutz und Selbstverteidigung. Auch das Thema Sicherheit auf öffentlichen Plätzen spielt laut den Autorinnen bei vielen Mädchen und jungen Frauen eine große Rolle. Sie beklagen fehlende Möglichkeiten, sich auf öffentlichen Plätzen sicher und geschützt mit Freundinnen und Freunden zu treffen. Vor allem der Bahnhof und der Zentrale Busbahnhof (ZOB) werden als eher unschöne und sogar bedrohliche Orte wahrgenommen.

Allgegenwärtig scheinen Beleidigung und Diskriminierung zu sein. Laut der Umfrage haben rund zwei Drittel der zehn-bis 18-Jährigen Diskriminierungserfahrungen gemacht, bei denen Gewalt und Diskriminierung wegen ihres Aussehens, ihrer Größe oder ihres Geschlechts eine Rolle gespielt haben.

Über aktuelle Probleme mit der Familie, Freunden und Freundinnen, der Gesundheit, der Polizei, der geschlechtlichen Orientierung und dem Selbstbewusstsein klagen 35 Prozent der jüngeren und 45 Prozent der älteren Befragten. Außerdem sind „Schulmüdigkeit und Unwohlsein in der Schule“ laut der Untersuchung weit verbreitet. Jede vierte Befragte fühlt sich in der Schule unwohl. Vier Prozent gehen „eher nicht“ oder „nicht“ in die Schule. Als Ursache dafür werden Probleme mit Mitschülerinnen und Mitschülern, Mobbing und Probleme mit dem Lehrerpersonal genannt.

Depression kann eine Folge sein

Depressionen oder selbstverletzendes Verhalten bezeichnen die Mädchen und jungen Frauen als Reaktion darauf. Außerdem äußern sie Sorgen über ihre persönliche Zukunft. Auch der Klimawandel und die Angst vor Kriegen spielen laut der Umfrage eine Rolle.

Hilfe, Beratung und Unterstützung haben bereits 94 Prozent der Mädchen und jungen Frauen in Anspruch genommen und dies besonders häufig bei Müttern, Freundinnen, Schwestern und Vätern.

Inzwischen wurde auf Basis der Ergebnisse eine Broschüre erstellt, die die Lebensrealitäten und „teils prekären Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen in Nürtingen sichtbarer und in den Mittelpunkt“ stellen möchte. Die Broschüre ging samt einem Forderungspapier den Nürtinger Gemeinderäten zu.