Eine junge Frau erlebt im Krankenhaus den Tod einer Freundin. Völlig durch den Wind steigt sie in ein Taxi und will nach Hause. Doch was ihr dann widerfährt, versetzt jetzt Polizei und Taxibranche in Stuttgart in helle Aufregung.
Stuttgart - Es ist ein schrecklicher Abend für die junge Stuttgarterin. Im Katharinenhospital muss sie mitansehen, wie eine Freundin stirbt. Sie ist völlig aufgelöst an jenem 12. November. Sie will nur noch nach Hause in den Stuttgarter Osten. Als sie den Taxistand am Hauptbahnhof erreicht, zeigt die Uhr schon nach Mitternacht. Sie steigt ins vorderste Fahrzeug und bemerkt, dass sie nur noch zehn Euro Bargeld bei sich hat. Eine Summe, die für die kurze Fahrt normalerweise reicht. Sie weiht den Fahrer ein. Der kassiert das Geld sofort und fährt los.
Doch der Mann schlägt die völlig falsche Richtung ein. Am Rotebühlplatz macht ihn seine Passagierin darauf aufmerksam. Er dreht – und fährt erneut falsch. Dabei beginnt er, die Frau zu beschimpfen und übel zu beleidigen. „Du Hure“ soll nur eines von vielen Schimpfwörtern sein, die angeblich fallen. Als das Auto in der Nähe des Löwentors ist, also wieder auf der verkehrten Route, zeigt das Taxameter 9,90 Euro an. Der Fahrer fordert die Frau massiv auf, auszusteigen. Er wirft ihre Sachen aus dem Wagen. Als sie nach einer Visitenkarte fassen will, um herauszufinden, mit wem sie es zu tun hat, greift er in ihre Haare und zerrt sie aus dem Taxi. Es ist ein Uhr nachts und sie steht völlig verstört allein am Rande des Rosensteinparks.
Fahrer ist der Vermittlungszentrale nicht bekannt
In ihrer Verzweiflung ruft sie ihre Mutter an. „Mein Tochter ist dann zu Fuß durch den Park nach Hause gegangen, immer mit mir am Telefon, weil sie Angst gehabt hat“, erzählt die. „So etwas hätte nie passieren dürfen. Was hätte ihr nachts im Park nicht alles zustoßen können. Das darf sich nicht wiederholen“, sagt sie. Direkt danach ruft die Mutter sowohl Polizei als auch Taxi-Zentrale an – und fühlt sich dort zunächst nicht so richtig ernstgenommen. Am nächsten Tag erstattet die Tochter Anzeige gegen den Mann.
Den zu finden, ist allerdings gar nicht so einfach. Zum einen, weil keine Taxinummer und kein Kennzeichen bekannt sind. Nach Aussage des Opfers spricht der Mann schlecht Deutsch mit möglicherweise indischem oder pakistanischem Akzent, der Wagen war schwarz, hatte Ledersitze und keinen Werbeaufdruck. Zum anderen aber lässt er sich schwer ermitteln, weil er der Stuttgarter Taxi-Zentrale, die die meisten Fahrten in der Stadt vermittelt, offenbar nicht angeschlossen ist.
„Unsere Schichtleitung hat die Aussagen der Mutter noch in der Nacht protokolliert und sofort überprüft, welcher Fahrer zur angegeben Uhrzeit seinen Taxameter am Hauptbahnhof eingeschaltet und auf Höhe Löwentor wieder ausgeschaltet hat“, heißt es in einer Stellungnahme an unsere Zeitung. Dabei habe man keine Daten gefunden. Eine anschließende direkte Befragung der angeschlossenen Fahrer vor Ort ergibt, dass sie beobachtet haben, wie die junge Frau in das schwarze Taxi gestiegen ist. Doch keiner kennt den Fahrer. „Das Auto ist uns nicht angeschlossen“, heißt es bei der Taxi-Zentrale. Die ruft zwei Tage später die Mutter zurück und rät ihr, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Der Ärger in der Branche ist riesig
Das ist zu diesem Zeitpunkt längst passiert. „Wir ermitteln wegen Körperverletzung und Beleidigung“, sagt eine Polizeisprecherin. Man hoffe sehr, dass man den Mann finde, denn die Situation, in die er die junge Frau gebracht habe, sei schlimm. Möglicherweise folgt eine Befragung verschiedener Taxifahrer, die Hinweise geben könnten.
Der Ärger ist groß – nicht nur bei der Betroffenen und ihrem Umfeld. Auch in Taxikreisen herrscht riesiger Unmut über das schwarze Schaf, das den Ruf der ganzen Branche gefährdet. „Jeder Taxifahrer, mit dem man über den Vorfall redet, ist empört“, sagt die Mutter des Opfers. Also halten auch die Kollegen die Augen offen, um den Druck zu erhöhen. Damit sich ein solches Erlebnis wie an jenem traurigen Abend nicht wiederholt.
Die Stuttgarter Polizei bittet Zeugen des Vorfalls oder jeden, der Ähnliches erlebt oder gar Hinweise auf den gesuchten Fahrer hat, sich bei der nächsten Dienststelle zu melden.