Nach dem Tyrannenmord ist vor dem Bürgerkrieg: Szene aus „Julius Caesar“ in der Regie von Dieter Nelle Foto: Sabine Haymann

Wer die Sprache beherrscht, herrscht auch im Reich: Im Stuttgarter Forum-Theater inszeniert Dieter Nelle das Shakespeare-Drama „Julius Caesar“.

Stuttgart -

Retter der Republik wollen sie sein und keine feigen Mörder. Der Tyrann soll fallen, bevor die stolzen Bürger Roms nur noch Sklaven sind. Deshalb planen die drei Verschwörer den Mord an Julius Caesar.

Ach, wenn es nur so einfach wäre: Die Bühne im Forum-Theater ist in strengem Schwarz-Weiß gehalten, doch es sind gerade die Zwischentöne, die Vieldeutigkeiten, die das Shakespeare-Drama „Julius Caesar“ am Laufen halten. Sind es nur hehre Motive, welche die Verschwörer antreiben, oder geht es nicht auch um gekränkte Eitelkeiten ehemaliger Weggefährten? Welcher Zweck heiligt welche Mittel? Ist ein Tyrannenmord auch gerechtfertigt, wenn der Tyrann sich noch gar nicht als solcher gebiert? Aus Unterstellungen werden Tatsachen geschaffen. Fake News, könnte man auch sagen.

Julius Caesar taucht als Person gar nicht auf der Bühne auf und ist doch Motor der zweieinhalb Stunden dauernden Wortgefechte. Nur indirekt ist er anwesend, wenn Martina Guse als trauernde Witwe seine letzten Stunden aufleben lässt. Sie macht das mit großem Ernst und einschneidender Stimme. Überhaupt gibt es in dieser Inszenierung nichts Leichtes, dafür dunkle Ahnungen, düsteres Pathos und laute Schreie von allen Seiten der Bühne, die bis hinter die letzten Zuschauerreihen reicht.

Theaterblut und schmutzige Hände

Shakespeares Drama ist vom Regisseur Dieter Nelle gehörig entschlackt worden. Die Hauptfigur fehlt – nur fünf Männer und zwei Frauen sind übrig geblieben und agieren von der ersten bis zur letzten Minute mit Verve. Insbesondere Stefan Maaß als Cassius, der den erst zögerlichen Brutus (differenziert: Udo Rau) auf die Seite der Verschwörer zieht, steht von Anfang an in Flammen und lässt kein Jota nach in seiner Wut. „Julius Caesar“ ist ein Drama, das um die Macht des Wortes kreist, so versteht es Nelle. Wer hat die besseren Argumente? Wie leicht lassen sie sich außer Kraft setzten, wenn einer die Mittel der Demagogie beherrscht? Allerdings prasseln Shakespeares Wortkaskaden ununterbrochen auf die Zuschauer ein. „Ich als dein Spiegel will Dir zeigen, was Du selbst nicht von Dir weißt“ sagt Cassius zu Brutus. Einer von vielen Sätzen, die Zeit brauchen, um nachzuklingen. Diese Zeit gönnt Nelle dem Publikum nicht. Und: Nach dem Tyrannenmord ist vor dem Bürgerkrieg. Dass sich die vermeintlichen Retter der Republik die Hände viel zu schmutzig gemacht haben, dafür findet die Inszenierung starke Bilder, in denen reichlich Theaterblut fließt. Auf die Videoeinspielungen hätte man dagegen verzichten können: Die Bühne ist zu hell ausgeleuchtet, als das die Fotos und Filme eine Wirkung erzielen könnten.