Gelb ist schön bei der Tour – auch für Julian Alaphilippe Foto: dpa

Julian Alaphilippe ist womöglich stark genug, um die Tour de France gewinnen zu können. Staatspräsident Macron drückt ihm jedenfalls die Daumen.

Foix - Der Ton wird rauer, und das ist noch freundlich ausgedrückt. Leistungsdiagnostiker Antoine Vayer, der einst beim Skandal-Team Festina beschäftigt war, ist mittlerweile einer der unbeliebtesten Männer des Profiradsports – weil er seit seiner moralischen Kehrtwende alle Doper, mutmaßlich Verdächtigen und seine alten Weggefährten ständig attackiert. Meist recht zynisch, vor allem in den sozialen Medien. Neuester Lieblingsgegner des Kritikers ist Julian Alaphilippe, der Mann im Gelben Trikot. Die Antwort von Patrick Lefevere, dessen Teamchef bei Deceuninck-Quick Step, ließ nicht lange auf sich warten. Er schrieb Vayer via Twitter: „Fuck you, looser!“

Drei Worte, die verdeutlichen: Auch bei dem belgischen Rennstall, der eigentlich lauthals jubilieren müsste, sind die Nerven angespannt. Was vor allem daran liegt, dass aktuell jeder Tour-Beobachter die Leistungen von Julian Alaphilippe hinterfragt – auch diejenigen, die sich mit den verbotenen Seiten ihrer Disziplin bestens auskennen. „Ich wusste, dass das Gelbe Trikot beflügeln kann, aber nicht, dass es Fliegen ermöglicht“, sagte zum Beispiel Alexander Winokurow, einst Fremdblut-Doper und Olympiasieger, heute Manager des Astana-Teams, „wenn Julian Alaphilippe die Tour gewinnt, verstehe ich nichts mehr vom Radsport.“

Guter Vorsprung

Genau dies ist aber möglich, das zumindest ist die Erkenntnis der beiden Pyrenäen-Etappen am Wochenende. Nach den beiden Bergankünften auf dem legendären Tourmalet (2.) und in Foix Prat d’Albis (10.) hat Alaphilippe immer noch 1:35 Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten Titelverteidiger Geraint Thomas. Angesichts dieser Reihenfolge meinte auch Michael Rasmussen, der am Ende seiner Karriere zugab, fast zwölf Jahre lang nahezu ununterbrochen gedopt zu haben und die Frankreich-Rundfahrt als Kolumnist für eine dänische Zeitung begleitet: „Alaphilippe ist stark genug, um die Tour zu gewinnen.“ Ob das glaubwürdig sei? „Was ist im Radsport schon zu glauben?“

Der 27-jährige Franzose, der nach seinem Sieg am Freitag in Pau erklärt hatte, von sich selbst überrascht zu sein, legte in der Tat eine erstaunliche Entwicklung hin. Alaphilippe galt als Mann für die Klassiker, der über eine enorme Explosivität am Berg verfügt. In diesem Jahr gewann er unter anderem Mailand-Sanremo und den Fléche Wallone, er ist die Nummer eins der Weltrangliste, 2018 sicherte er sich bei der Tour das Bergtrikot. Aber dass er ein Fahrer ist, der auch im Kampf gegen die Uhr und kurz danach im Hochgebirge glänzt? Der Tag für Tag das Gelbe Trikot verteidigt, das er sich erstmals auf der dritten Etappe mit einem Solo-Ritt über 16 Kilometer holte? Dies war nicht absehbar. Und lässt viele Beobachter einigermaßen ratlos zurück. Völlig zu Unrecht, wie Alaphilippe findet: „Ich bin nicht hier, um Fragen nach den Zweifeln zu beantworten. Ich weiß, was ich gearbeitet habe, um das zu erreichen. Über alles andere lache ich.“

Hinault war der letzte Sieger

Durchaus hilfreich für ihn ist, dass er als Führender in Frankreich extrem gefeiert wird – klar, die Franzosen warten seit Bernhard Hinault 1985 auf einen Tour-Sieger. Da wollen auch die Medien keine Spielverderber sein. Sie bejubeln den neuen Star ebenfalls, statt dessen Vorstellungen zu hinterfragen, wie sie es zum Beispiel in der britischen Ära bei Bradley Wiggins, Chris Froome oder Geraint Thomas getan haben. Diesmal? Liegt der Fall natürlich anders, es ist ja ein Franzose vorne. Der zudem nicht alleine ist, auch Tourmalet-Sieger Thibaut Pinot hat Chancen, in Paris auf dem Podium zu stehen. Was sich auch Staatschef Emmanuel Macron wünschen würde. „Ich werde da sein, das wäre ein historischer Tag“, meinte der französische Staatschef, nachdem ihn Alaphilippe am Tourmalet gefragt hatte, ob er denn in einer Woche schon etwas vorhabe. „Ich wünsche mir, dass einer von beiden das Gelbe Trikot auf die Champs Élysées bringt und der andere Zweiter wird.“

Genügend Champagner für eine feuchtfröhliche Feier, versprach Macron zudem, werde er mitbringen. Ob der Schampus die Zweifel wegspülen kann?