Digitaler Sex: Nichts für Jugendliche oder eine Etappe auf dem Weg zum Erwachsenwerden? Foto: dpa

Aktuelle Daten zum Thema Jugendsexualität und Inter-Pornografie sind rar. Im Oktober erscheint dazu eine neue repräsentative Studie.

Stuttgart - „Playboy“, „Praline“ oder „Schlüsselloch“ heimlich gelesen und in der Schule weitergereicht – das war einmal. Auch die Unterwäsche-Modells aus den „Neckermann“- und „Otto“-Katalogen sind Geschichte. Die Jugendlichen von heute kennen sexuell-pornografische Inhalte aus dem Internet. Noch nie war es so einfach an nicht-jugendfreies Anschauungsmaterial zu kommen. Erotik- und Sex-Clips, selbst harte Pornografie gehören inzwischen zum ganz normalen Erwachsenwerden.

Alarmismus?

Sexualforscher, Lehrer, Sozialarbeiter und Psychologen raten im Umgang mit dem heiklen Thema vor allem von einem ab: Alarmismus. Pornografie, so das durchgängige Urteil, seien fester Bestandteil der Pubertät und müssten deshalb auch ein Thema in der Erziehung – im Elternhaus, in der Schule oder im Jugendzentrum – sein.

„Selbstverständlich sehen Jugendliche Pornos“, sagt die Sexualwissenschaftlerin Katja Krolzik-Matthei von der Hochschule Merseburg. Befürchtungen, dass sie nach immer heftigeren Bildern suchen, sei wissenschaftlich nicht belegt. Das haben auch andere Studien wie die des Sexualwissenschaftlers Kurt Starke („Pornografie und Jugend – Jugend und Pornografie“), des Journalisten Johannes Gernert („Generation Porno – Jugend, Sex, Internet“) oder von Silja Matthiesen bestätigt.

Online-Pornos statt Pin-up-Girls

Die Soziologin Silja Matthiesen vom Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf führte mit ihrem Team 2009 bis 2011 eine Interview-Studie zur „Jugendsexualität im Internezeitalter“ durch. Demnach führt der Konsum von Pornografie im Jugendalter bei den allermeisten weder zu einer Verrohung oder Internet-Sexsucht noch zur Unfähigkeit zu Liebe und Partnerschaft. „Interne-Pornografie ersetzt heute beinahe vollständig die früher benutzten Masturbationsvorlagen, also die Akt- oder Halbaktdarstellungen und Pin-ups, die Jungen in Zeitschriften, Magazinen, Kunstbildbänden, Modekatalogen oder Büchern fanden“, heißt es in der Hamburger Studie.

Nun wurde diese Untersuchung schon vor vier Jahren veröffentlicht. Der letzte Report Jugendsexualität“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stammt von 2010. Der Folgereport – der achte seit 1980 – sei „in der Erhebungsphase“, erklärt eine Sprecherin. Zusammen mit dem Umfrageinstitut TNS Emnid würden 14- bis 17-Jährige, ihre Eltern sowie Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 zum Thema Sexualität befragt. Insgesamt 5750 Interviewpartner – weit mehr als 2010, damals waren es 3542 Jugendliche, darunter 1014 Migranten. Einzelheiten würden im Oktober veröffentlicht, so die BGzA- Sprecherin. „Vorher nicht.“

Es ist Zeit für neues Datenmaterial

Auch bei den Krankenkassen, bei pro familia oder beim Landesmedienzentrum Baden-Württemberg verweist man auf bereits Bekanntes. Statistiken über Zahl oder Kosten psychotherapeutischer Behandlungen von Jugendlichen, die „über einen längeren Zeitraum schädlichen Internetinhalte anschauen“, lägen nicht vor, so Hubert Forster, Sprecher der Techniker Krankenkasse in Baden-Württemberg. Ähnlich äußern sich auch andere große Kassen wie die AOK, BKK und IKK.

„SexnSurf“ heißt ein medienpädagogisches Projekt von pro familia Hessen, bei dem es vor allem um die Aufklärung und Begleitung von Jugendlichen während der Pubertät geht. Sexualaufklärung sei „ein wichtiger Bestandteil der sexualpädagogischen Arbeit zum Thema Pornografie“, heißt es bei pro familia, einem deutschlandweiten Verbund von Beratungsstellen.Verbote würden nichts bringen. Heranwachsende müssten vor jugendgefährdenden Inhalten geschützt werden. Ansonsten seien „Aufklärung, vertrauensvolles Verständnis, altersgemäße Inhalte und fachliche Begleitung“ der richtige Weg.

Das Wichtigste ist Vertrauen zwischen Eltern und Kindern

Das rät auch der Sexualwissenschaftler Jakob Pastötter.„Verbote von Pornografie reichen nicht aus, aber es ist nötig, Stellung zu beziehen“. Das Wichtigste sei das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern. Es sei völlig normal, dass Pubertierende Lust empfänden, sagt Pastötter, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung ist. „Zu glauben, dass es reichen würde zu sagen: ‚Du darfst das und das nicht‘, ist völlig illusorisch, wenn Erwachsene nicht eine Beziehung vorleben, in der Liebe gelebt wird.“

Rat und Hilfe

Landesmedienzentrum: www.lmz-bw.de/jugendsexualitaet-internetpornografie

Institut für Sexualforschung Universität Hamburg-Eppendorf: www.jugendsex-forschung.de/publikationen.php

Pro Familia: www.profamilia.de/angebote-vor-ort/hessen/landesverband-hessen/sexnsurf

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.bzga.de/infomaterialien/sexualaufklaerung; www.loveline.de/startseite