In Berlin führt ein Satire-Filmchen über die Demonstrationen in Chemnitz zu Morddrohungen. Auch die AfD-Landesgruppe Baden-Württemberg hat daran ihren Anteil.
Berlin - Ein blonder Junge mit Bierdose in der Hand verbreitet die Nachricht. „Deutscher von Ausländern abgestochen“, schreit er ins Off. Darauf beginnt das als „Volksfest in Sachsen“ betitelte Video des Jugendprogramms Funk, das die vergangenen Demonstrationen in Chemnitz sichtlich auf die Schippe nimmt. „Es geht wieder los“, sagt ein gut gelaunte Rentner und greift zur Deutschlandfahne. Bullige Typen mit Kahlköpfen rennen einem Dunkelhäutigen hinterher. Zwei junge Frauen werben unter dem Slogan „#wirsindmehr“ für freie Getränke bei einem Montagskonzert. Im Hintergrund tönt Schunkelmusik wie aus einem Bierzelt.
Kaum war das Video der Webreihe „Bohemian Browser Ballett“ veröffentlicht, sorgte es im Netz nicht nur für Kritik sondern gar für Morddrohungen für die Produzenten um den Blogger und Medienkritiker Christian Brandes, bekannt als Autor des Blogs „Schlecky Silberstein“. Der Grund: Im Video zu sehen ist auch ein Stand mit der Aufschrift „Alternative für Deutschland“, samt verfälschtem, aber deutlich erkennbarem Logo der Oppositionspartei. Ein Mann im Anzug wirbt darin für neue Mitglieder und verteilt Prospekte an Skinhead-ähnliche Gestalten.
AfD sieht darin ein Fake-Video
Kurz vor der Satire-Ausstrahlung veröffentlichte die AfD ein Amateurvideo von den Dreharbeiten in Berlin Lichtenberg, das den Film als einen Versuch darstellt, „Fake-Videos an einem falschen Parteistand zu drehen“. Das Team von Funk hätte eine rechte Demonstration nachgestellt, um sie als echte Veranstaltung auszustrahlen. Die „gestellten Jagdszenen“ sollten die AfD diskreditieren, heißt es auf einem Facebook-Post der Partei. „Durch Zufall“ hätte das Projekt aufgedeckt werden können.
Auch Dirk Spaniel, AfD-Sprecher der Landesgruppe Baden-Württemberg, kommt im geposteten Parteivideo zu Wort. Offensichtlich gäbe es kein echtes Videomaterial über die AfD, sodass man Videomaterial „auf eine plumpe Weise“ fälschen müsse, sagt er und fordert darauf, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Szenen waren mit Schauspielern inszeniert
Nachdem Fragen der Nutzer laut wurden, wer die Filmemacher seien, lieferte die Berliner AfD Antworten. In einem weiteren Webvideo steht der Abgeordnete Frank-Christian Hansel im Haus von Produzent Brandes und seines Firmenpartners und zeigt dessen Namen samt Adresse. Weil dieser jüdisch klingt, steigern sich die verunglimpfenden Kommentare bis zu Morddrohungen. Ohne die Initiative von Bundes- und Berlin-AfD, wäre die Drohung erspart geblieben, schreibt Brandes in einem Blogeintrag. „Hansel besuchte uns, als wir uns schon längst als Auftraggeber des Satire-Drehs zu Erkennen gegeben hatten.“
Die AfD gibt an, dass es ihr nicht klar gewesen sei, dass es sich bei dem Dreh um Satire handelt. Der SWR, wo das Jugendprogramm von Funk angedockt ist, widerspricht. Die Bewohner seien vorab informiert gewesen, ließ ein Sprecher wissen. Genannt wurde dabei sowohl der Titel der Funk-Webreihe „Bohemian Browser Ballett“ als auch eine Kontakttelefonnummer für Rückfragen. Auch sei es während der Dreharbeiten ersichtlich gewesen, dass die Szenen mit Schauspielern inszeniert worden waren.