Die Waldorfschule Illerblick in Ulm hat den Gebrauch von Smartphones im Unterricht verboten – und erntet dafür heftige Reaktionen.
Ulm - Zum Ende des vergangenen Schuljahres, sagt Wolfgang Hamhaber, sei es genug gewesen. Genug Debatten in den Gremien der Unter-, Mittel- und Oberstufe, bei Elternabenden und Lehrerkonferenzen darüber, weshalb wohl manche Schüler morgens so müde beim Unterricht erscheinen. Ob sie womöglich „bis nachts um 3 Uhr auf Whatsapp waren“. Und warum manche Kinder auf die Aufforderung, das Telefon im Unterricht abzugeben, reagierten, „als ob’s um ein Körperteil von ihnen geht“. Über rund zwei Schuljahre hinweg sei das Thema gewälzt worden, erzählt Hamhaber, der Vereinsgeschäftsführer sowohl der Waldorfschule Illerblick als auch des zugehörigen Trägervereins mit angeschlossenen Kindertagesstätten und einer Kinderkrippe. Da kommen, bei rund 370 Schülern, viele Meinungen zusammen.
Dann ging die Dauerdebatte mit einem ruckartigen Entschluss zu Ende. „Die Dinger kommen nicht mehr, aus und Punkt“, beschreibt Hamhaber, bis vor wenigen Jahren noch selbst Lehrer in der Oberstufe, die Gefühlslage des Sommers. Die Dinger – damit sind die Smartphones der Schüler gemeint, aber auch die der Lehrer und Eltern.
Der Schulbeschluss ist heftig kritisiert worden
Nicht lange, dann hatte das per Aushang auf dem weitläufigen Schulgelände verbreitete Verbot den Weg in die Lokalzeitung gefunden. Die überwiegenden Reaktionen auf den Leserbriefseiten der Ulmer „Südwest Presse“ standen der Schärfe des Schulbeschlusses in nichts nach. Nunmehr finde „eine Verlagerung in den außerschulischen Raum“ statt, das Handy werde nun „Konfliktstoff Nummer eins in Familien mit Heranwachsenden“, schimpfte eine Schreiberin. Ein anderer Einsender bezeichnete die Schule „samt beteiligter Gremien“ sogar als „dumm, rückwärtsgewandt und ignorant, in jedem Fall aber abschreckend absolutistisch und bar jeder erzieherischen Anstrengung“. Ein Insider offenbar, der wissen will, es sei „gar kein übermäßiger Handygebrauch vorhanden“ gewesen. In wieder einem anderen Schreiben wurde die Waldorfschule als Einrichtung ironisiert, die „idealerweise nicht einmal Schulbücher oder andere Medien wie Filme verwenden sollte“.
Mittlerweile gehört auch der Freiburger Neurobiologe Carsten Rees zu den Kritikern. Er amtiert seit 2014 als Vorsitzender des Landeselternbeirats Baden-Württemberg. Schon wiederholt hätten aus ähnlicher Motivation Schulen im Südwesten das Smartphone „für eine Woche eingezogen“, um dann festzustellen: „Das entspricht nicht der Rechtslage in Deutschland.“ Das Totalverbot des unabhängigen Ulmer Schulvereins hält Rees sogar für eine „pädagogische Bankrotterklärung“.
Dem Landeselternbeiratsvorsitzenden geht das Verbot zu weit
Zum einen, sagt der Landesvorsitzende, gehe das Verbot an der Realität vorbei. „Ab einem gewissen Alter haben fast alle Jugendlichen ein Smartphone.“ Es komme durch die vereinten Kräfte von Lehrern und Eltern darauf an, die Geräte verantwortungsbewusst zu gebrauchen, also Medienkompetenz zu erwerben. „Das ist aufwendig, das ist Arbeit, und das kann auch Frust bedeuten. Aber so ist Erziehung“, sagt Rees. Ein Totalverbot schaffe „vermeintlich geschützte Räume“, aber: „Damit machen wir unsere Kinder nicht resilient gegen die Verlockungen des Internets.“ Lehrer, die sich hilflos fühlten, fänden in Baden-Württemberg genügend Helfer und Institutionen, zusammengeführt beispielsweise innerhalb der staatlichen Initiative Kindermedienland.
All dem Schimpf begegnet der Schulgeschäftsführer Wolfgang Hamhaber mit einem gefassten Kommentar: „Wir sind eine pluralistische Gesellschaft.“ Medienkompetenz, sagt er, komme zunächst mal durch „Medienabstinenz“ – durch das Reden und Diskutieren über das Thema. Außerdem: Wenn er jetzt mittags durch die Schul-Cafeteria gehe, sehe er Schüler, „die sitzen am Tisch und unterhalten sich miteinander“. Das sei eine ganz neue Situation und „völlig entspannt“.