Abgeordnete im Gespräch mit Jugendlichen beim Workshop Digitalisierung. Foto: dpa

Beim Jugendlandtag zeigen sich Abgeordnete angetan von der Sachkenntnis der Teilnehmer. Aber die Jugendlichen hätten sich mehr Zeit für gemeinsame Diskussionen gewünscht.

Stuttgart - Ideen und die Unerschrockenheit, das Unmögliche zu verlangen“, sind die Kraftquelle junger Menschen, findet Muhterem Aras, die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg. Unerschrocken und ideenreich, dazu noch bestens informiert und fundiert vorbereitet haben sich die 175 Teilnehmer des Jugendlandtags am Mittwoch und Donnerstag in Stuttgart gezeigt.

In neun Workshops haben die Jugendlichen ihre Positionen zu gesellschaftlichen Themen erarbeitet und daraus je drei Forderungen destilliert. Die sind nicht unmöglich, aber teilweise teuer. Zur wichtigsten Forderung haben die Zwölf- bis 21-Jährigen die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtagswahlen erklärt. Dicht gefolgt von der Forderung nach Tickets für Busse und Nahverkehrsbahnen in Baden-Württemberg zum Preis von einem oder zwei Euro. Auf Platz drei setzten die Jugendlichen strengere Richtlinien für die Massentierhaltung samt einem Verbot für Fleischwerbung. Zudem soll es Schockbilder etwa von Schlachtungen auf den Verpackungen geben.

Geduldsprobe in den Workshops

Die gemeinsame Arbeit mit Jugendlichen aus dem ganzen Land ist das eine. Für Balthasar Kaiser, der aus Kadelburg bei Waldshut nach Stuttgart gereist ist, sind das in Aussicht gestellte Gespräch mit den Landtagsabgeordneten und die Plenardebatte des Landtags zum Jugendlandtag die Höhepunkte der Veranstaltung. So geht es vielen Jugendlichen. Doch ihre Geduld wird am Mittwoch auf eine harte Probe gestellt. Zwar haben sich mehr als 30 Abgeordnete zu Gesprächen angekündigt, statt um halb sechs kommen die meisten Parlamentarier aber erst kurz vor halb sieben zur Diskussion in die einzelnen Workshops. Die Plenardebatte hatte sich verzögert, das verkürzte die Gespräche auf eine Stunde. Der Unmut ist groß und mündet in die vielbeklatschte Forderung, beim nächsten Jugendlandtag in zwei Jahren die Tagesordnungen besser abzustimmen und mehr Zeit für den Dialog mit den Abgeordneten vorzusehen. Auch Rederecht in den Ausschüssen des Landtags verlangen die Jugendlichen.

Zuschauerrolle im Plenarsaal

Im Plenum am Donnerstagmorgen war für die jugendlichen Gäste nur die Zuschauerrolle vorgesehen. Doch Balthasar Kaiser war zufrieden: „Es hat Spaß gemacht, zuzuhören“, sagte er nach den Auftritten der Jugendpolitiker der Fraktionen. „Es gab viele ermutigende Worte. Das macht Mut, sich weiter zu engagieren“, meinte der 17-jährige Schüler, der in Waldshut bei den jungen Grünen und in der evangelischen Jugend mitarbeitet. „Zuspruch und Unterstützung“ aber auch Respektlosigkeit hat Jana Licht aus Süßen im Kreis Göppingen in der Debatte erfahren. Die 18 Jahre alte Stadträtin fand es „megaspannend zu hören, was unterschiedliche Leute von uns halten“. Sie will jetzt erst recht mit ihrer politischen Arbeit weitermachen, zumal etwa der fraktionslose Wolfgang Gedeon den Jugendlichen angeraten hatte, sie sollten erst mal Lebenserfahrung sammeln.

„Ich wollte sehen, wie Landespolitik gemacht wird“, sagt Ben Jetter. Der Freiburger hat keinen Redner gehört, dem er in allem zugestimmt hätte. Dabei hörte er zumeist Lob. Thomas Poreski (Grüne) schrieb den jungen Leuten „große Leidenschaft und beeindruckende Sachkompetenz“ zu. Er fand es an der Zeit, dass Jugendliche ab 16 an der Landtagswahl teilnehmen können. Genauso wie Andreas Kenner. Der SPD-Abgeordnete beeindruckte das junge Publikum mit seiner Rhetorik. Dass Jugendliche bei der Kommunalwahl mit vielen Stimmen jonglieren, aber bei der Landtagswahl nicht wissen sollten, wie sie eine einzige Stimme verteilen solle, sei unverständlich. Kenner sprach den Gästen auch mit Blick auf den Jugendlandtag aus dem Herzen: „Nächstes Mal muss spätestens um 16 Uhr die Diskussion mit den Abgeordneten beginnen.“

Wenig Parlamentarier bei der Abschlusspräsentation

„Mischen Sie sich ein, Sie werden gebraucht“, ermutigte Jochen Haußmann (FDP) das Publikum. Isabell Huber (CDU) und Anton Baron zeigten sich begeistert, „mit welcher Tiefe die Jugendlichen in die Themen eindringen“ und über die fundierte Auseinandersetzung mit der Sache.

„Schön und gut“, findet Steffen Müller aus Korntal-Münchingen. Der angehende Fachinformatiker vermisst bei der abschließenden Präsentation der Forderungen die Abgeordneten. Ganze drei werden neben der Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz im Landtagsfoyer ausgemacht. „In der Debatte war schon vieles nur plakativ“, fällt dem Auszubildenden dazu ein.