Auch im Neubau hat das Waldhaus in Hildrizhausen straffällige und benachteiligte Jugendliche untergebracht. Foto: Simon Granville

Das Waldhaus in Hildrizhausen sucht einen Ersatz für eine Wohngruppe in Leonberg und sieht sich in der Corona-Krise als „hoch systemrelevant“, weil sich soziale Probleme im Lockdown verschärfen.

Hildrizhausen - Die Erfolgsquote des Waldhauses als Jugendhilfe-Einrichtung ist beachtlich: Michael Weinmann, der Chef der stationären Einrichtungen schätzt, dass zwischen 50 und 70 Prozent der Jugendlichen, die das Waldhaus in Hildrizhausen bevölkern, den Start in ein Leben ohne Kriminalität, ohne Gewalt, ohne Schul- oder Ausbildungsverweigerung schaffen. Er nutzte kürzlich den Besuch von Andreas Stoch, dem SPD-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten, um seine Wünsche öffentlich zu äußern.

Weinmann beobachtet ein immer härteres Konkurrenzdenken in der Gesellschaft und ein abnehmendes Maß an sozialer Kompetenz unter den Jugendlichen, die sich im Waldhaus aufhalten. „Wir haben Jugendliche, die von ihren Eltern Gewalt, Drogen, und Ablehnung erleben, wir haben auch Jugendliche, die ihre Eltern verprügeln.“ Viele Konflikte unter den Jugendlichen werden über das Smart-Phone ausgetragen, Konflikte, in die die Pädagogen nicht eingreifen könnten: „Dann dreht hier jemand durch, und wir wissen nicht warum“. Diese neuen Herausforderungen will das Waldhaus mit einem offenen Konzept beantworten, also abseits der Gruppenhäuser am Waldrand von Hildrizhausen: „Das offene Konzept klappt nicht immer, aber es klappt.“

Betreuung aus dem Boden gestampft

Als in der Corona-Krise die Schulen unvermittelt schlossen, musste das Waldhaus für die Jugendlichen eine Betreuung am Vormittag aus dem Boden stampfen. Überdies hat es eine Weile gedauert, bis auch die offene Jugendhilfe als systemrelevant eingestuft wurde. „Wir sind hoch systemrelevant“, sagt Weinmann.

Die Delegation der SPD besuchte auch die Ausbildungswerkstatt im Waldhaus. Dort bilden drei Meister die Jugendlichen aus: „Ein Beruf ist die einzige Möglichkeit, den Jugendlichen einen Boden unter den Füßen zu geben“, sagte Andreas Stoch. Auch hier hätten die Reformen der vergangenen Jahre dem Waldhaus das Leben schwer gemacht, berichtet Weinmann, „früher hat das Sozialamt eine Ausbildung bezahlt, jetzt kämpfen wir mit den Jobcentern.“

Auch an anderer Stelle braucht das Waldhaus Unterstützung. Denn dem Eichenhof in Leonberg-Eltlingen ist die Kündigung ins Haus geflattert. Seit 15 Jahren ist die Außenwohngruppe des Waldhauses ein wichtiger Baustein im Jugendhilfeangebot des Landkreises Böblingen. Hier finden Jungen und Mädchen im Alter von zehn bis 21 Jahren einen Lebensort, wenn dieser im Elternhaus zeitweise nicht gewährleistet werden kann.

Es war seinerzeit ein Glücksfall gewesen, als der idyllisch gelegene Eichenhof, ein renovierter Aussiedlerhof auf den Feldern zwischen Eltingen und Rutesheim, dafür zur Verfügung stand. Nun ist die sozialpädagogische Einrichtung auf der Suche nach einer Alternative, ohne die Jugendlichen dabei aus ihrem sozialen Umfeld in Leonberg zu reißen. „Uns ist der Standort Leonberg sehr wichtig, da unsere Schützlinge hier zur Schule gehen, Freundschaften und ihre Freizeitgestaltung aufgebaut haben“, sagen Hans Artschwager, der Geschäftsführer der Waldhaus Jugendhilfe und Michael Weinmann unisono. „Wir möchten nicht, dass den Kindern und Jugendlichen ihr Zuhause komplett verloren geht.“ Ähnlich sieht es das Landratsamt Böblingen: „Der Eichenhof hat sich toll etabliert und spielt als Wohngruppe für die Region eine ganz wichtige Rolle“, sagt Wolfgang Trede, der Leiter des Kreisjugendamtes. „Die Wohngruppe im Eichenhof wird von den Kollegen im Amt sehr geschätzt, das wird auch in der Belegungssituation immer wieder deutlich“, berichtet Trede weiter. Der Landkreis bestärkt das Waldhaus dabei, die Stadt Leonberg weiterhin als Standort für die Jugendlichen zu erhalten. „Ein geeignetes Haus in einer urbanen Wohngegend wäre sicherlich ideal“, sagt Amtsleiter Wolfgang Trede.

Suche nach passender Immobilie

Das Waldhaus hofft nun auf Hinweise aus der Leonberger Bevölkerung bei der Suche nach einer passenden Immobilie. Die Jugendhilfe hat dabei auch die Unterstützung des Leonberger Oberbürgermeisters Martin Georg Cohn: „Der Eichenhof bietet für viele Jugendliche aus der Region Leonberg ein Zuhause in schweren Situationen. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, die Wohngruppe in unserer Stadt zu behalten, sodass die Kinder und Jugendlichen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.“

Eine wichtige Voraussetzung ist ein geräumiges Haus mit vielen Einzelzimmern, einem Gemeinschaftsraum und nach Möglichkeit mit drei Bädern. „Wir wollen als Wohngruppe gesellschaftsfähig sein und die Jugendlichen gesellschaftsfähig machen, und gleichzeitig weiterhin ein Teil der Leonberger Gemeinschaft sein“, sagt Michael Weinmann.