Die Jugendgemeinderatswahl ist eine sichere Bank. Über die 52 Kandidaten freuen sich die Vorsitzende Lotta Raven und Sachbearbeiter Oliver Appelt. Foto: Roberto Bulgrin

Neue Politik für eine alte Stadt: Vom 17. bis 23. Oktober wählen die 14- bis 19-Jährigen ihr Parlament – den Jugendgemeinderat. Das Gremium hat in der Kommunalpolitik ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, betont seine bisherige Vorsitzende Lotta Raven.

Das Adrenalin steigt. Selbst bei einem Routinier wie Oliver Appelt löst die bevorstehende Wahl des Esslinger Jugendgemeinderats eine gewisse Unruhe aus. Seit dem Jahr 2000 ist er als Mitarbeiter der Esslinger Stadtverwaltung auch für die Durchführung dieses Urnengangs zuständig. Und alle zwei Jahre, sagt er, fiebert er dem Termin entgegen. Von Donnerstag, 17., bis Mittwoch, 23. Oktober, wird das Nachwuchsparlament der Neckarstadt neu zusammengestellt.

 

Kommen sie? Oder kommen sie nicht? Im Zweijahresrhythmus spielt Oliver Appelt so eine Art Esslinger Roulette. Für den Infoflyer zur Wahl braucht er die Kurzbiografien aller Kandidatinnen und Kandidatinnen, die sich um einen der 20 Sitze im Jugendgemeinderat bewerben. Und diese Steckbriefe trudeln manches Mal verspätet oder gar nicht ein. Was Oliver Appelt sehr bedauert. Denn seiner Meinung nach sollten sich alle Kandidaten in dem Wahlflyer wiederfinden.

In diesem Jahr – und auf diese Zahl ist Oliver Appelt sichtlich stolz – treten 52 Bewerberinnen und Bewerber an. Ein absoluter Höchststand. Denn seit er in den Diensten der Esslinger Stadtverwaltung steht, hatte die Rekordmarke bei 42 jungen Erwachsenen gelegen. Diese Marge konnte in diesem Jahr getoppt werden. Auch, so meint Oliver Appelt, weil das bisherige Jungparlament um die Vorsitzende Lotta Raven einen so guten Job gemacht hat und in der jungen Esslinger Öffentlichkeit sehr präsent gewesen ist.

Gegenderte Toiletten

Am Jugendgemeinderat allein liege das aber nicht. Lotta Raven spielt den Ball bescheiden zurück: Bei ihrer kommunalpolitischen Arbeit, sagt die junge Frau, haben sie und ihr Team jede nur mögliche Unterstützung vonseiten der Stadtverwaltung und des „großen Gemeinderats“ erhalten. Der junge Rat habe jedes Thema anpacken können und dürfen, das er für wichtig erachtet habe. „Lasst da lieber die Finger davon“, einen solchen Satz hätten sie nie zu hören bekommen.

So konnten die Nachwuchspolitiker einiges erreichen. Den oft genannten Evergreen ihrer Bemühungen führt auch Lotta Raven gleich als Erstes an. Nach einer Initiative des Jugendgemeinderats sei eine Ungerechtigkeit bei der Nutzung der Toiletten am Bahnhofsvorplatz in Esslingen aufgehoben worden. Zuvor hätten die Damen einen Obolus für die Sanitäranlagen entrichten müssen, während der Toilettengang für die Männer kostenfrei war. Die Bezahlung durch die Frauen wurde abgeschafft.

Die „Geschafft“-Seite

Aber auf der „Geschafft“-Seite verbucht der Jugendgemeinderat laut seiner Vorsitzenden auch eine Programmergänzung der Konzerte auf der Burg. Nichts gegen Dieter Thomas Kuhn oder Uriah Heep, ergänzt Oliver Appelt ihre Ausführungen. Aber für ein junges Publikum müssten schon andere Headliner gefunden werden. Darum haben sich die Kulturschaffenden der Neckarstadt bereit erklärt, die Veranstaltungsreihe künftig um einen Tag mit einem jugendlicheren Programm zu ergänzen.

Der Jugendgemeinderat, erklärt Lotta Raven, habe eine Liste mit möglichen Interpreten an das Konzertbüro weitergegeben. Jeremias, Zartmann, Berge oder Paula Hartmann stehen darauf. Im Idealfall könnte schon im nächsten Jahr einer von ihnen die Burg jugendlicher rocken. Bei dem Verweis auf die möglichen hohen Kosten eines zu zahlenden Honorars für diese Künstler betont Lotta Raven, dass auch Dieter Thomas Kuhn oder andere Auftretende sicher nicht für einen Apfel und ein Ei zu haben seien.

Esslingen als Vorbild

Als einen Erfolg der auslaufenden Mandatsperiode wertet Lotta Raven auch, dass in der US-amerikanischen Partnerstadt Cheboygan im Bundesstaat Michigan ein Jugendparlament im Stile des Esslinger Vorbildes installiert wurde. Im Frühsommer dieses Jahres sei das Nachwuchsparlament an den Start gegangen. In Zoom-Meetings habe sie sich mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Partnerstadt über die Modalitäten ausgetauscht. Ausgetauscht hat sich der Esslinger Jugendgemeinderat aber auch mit Altersgenossen vor Ort bei einer Umfrage zur Situation am Bahnhofsvorplatz. Auch unter jungen Menschen, so das Ergebnis, wird der Platz als Brennpunkt empfunden, und viele fühlen sich dort unwohl.

Sehr wohl aber fühlt sich Oliver Appelt mit der großen Anzahl an Bewerbern für den neuen Jugendgemeinderat. Sieben Vertreter aus der bisherigen Riege, sagt er, hätten sich erneut aufstellen lassen. Auch Lotta Raven steht wieder zur Verfügung. Welche Themen der neue Jugendgemeinderat anpacken werde, sei Gegenstand des Einführungswochenendes im November. Es mache keinen Sinn, so die Vorsitzende, jetzt Handlungsfelder festzulegen. Vorschläge müssten aus der Mitte des neu besetzten Gremiums kommen. Dass 32 der 52 Kandidatinnen und Kandidaten bei der Anzahl von 20 zu vergebenden Plätzen nicht zum Zuge kommen werden, so sagen beide, liege in der Natur einer Wahl und sei Teil der Demokratie. Sie hätten jedenfalls viel Respekt vor dem Mut und der Courage der jungen Erwachsenen. Nicht nur bei Routinier Oliver Appelt, sondern auch bei den Bewerbern wird also das Adrenalin steigen, wenn ab 17. Oktober gewählt wird.

Der Jugendgemeinderat Esslingen

Ablauf
Der neue Jugendgemeinderat in Esslingen wird von Donnerstag, 17., bis Mittwoch, 23. Oktober, an allen weiterführenden Schulen bestellt. Wahlberechtigt sind alle 14- bis 19-Jährigen, die seit drei Monaten ihren Hauptwohnsitz in Esslingen haben. Die Nationalität spielt keine Rolle, betont Oliver Appelt. Wählen dürfen etwa 5500 junge Erwachsene. Die Wahlbeteiligung lag in den Jahren zuvor bei etwa 30 Prozent.

Wahlmodus
Bisher hatte die Jugendgemeinderatswahl drei Werktage gedauert – nun wurde die Frist laut Oliver Appelt auf fünf Werktage verlängert. Der traditionelle Wahltermin eine Woche vor den Herbstferien habe auch seine Nachteile. Viele Schüler würden sich auf Exkursionen, in Schullandheimen oder im Berufspraktikum Bogy befinden und hätten daher in den vergangenen Jahren nicht wählen können. Darum wurde die Frist nun verlängert.

Ergebnis
Das Ergebnis der Wahlen zum Esslinger Jugendgemeinderat wird laut Oliver Appelt am Donnerstag, 24. Oktober, um 17 Uhr in der Schickhardt-Halle im Alten Rathaus präsentiert. Während eines Wochenendes im November werden die Neugewählten in ihre Arbeit eingeführt und Themenschwerpunkte festgelegt.