Derzeit kann die Jugend sich schon an künftige Verhältnisse gewöhnen. Das Urwerk ist wegen der Ferien geschlossen. Foto: factum/Granville

Weil Geldnot herrscht, schließt die Gemeinde ihr Jugendhaus – im Zweifel ersatzlos. Das Personal verliert seinen Arbeitsplatz. Über die Zukunft der gesamten Jugendarbeit wird gerätselt, auch im Rathaus.

Schönaich - Die Wehmut schwingt mit, wenn Martin Orendt seine Errungenschaften präsentiert. Die kleine Werkstatt gehört dazu, in der Jugendliche aus Europaletten die Sitzgruppen zusammengezimmert haben, die draußen vor der Tür stehen, oder die Theke, auf der sich Hunderte selbst lackierter Kronkorken zu einem kunterbunten Muster vereinen. Auch sie hat er gemeinsam mit den Besuchern des Jugendhauses erneuert. Orendt selbst hat sogar unter den Billardtisch Schwerlastrollen geschraubt, damit er mühelos beiseite geschoben werden kann, wenn eine Party gefeiert wird.

 

Der Billardtisch steht im Urwerk, dem Jugendhaus in Schönaich, das Orendt leitet. Er hat es zwar nicht aufgebaut, das war sein Vorgänger, aber er hat es kräftig umgebaut, nicht nur handwerklich, sondern vor allem pädagogisch. „Herr Orendt hat eine neue Klientel herangezogen, das Urwerk ist in einem viel versprechenden Prozess.“ So sagt es Michael Groh vom Sozialunternehmen Waldhaus. Groh ist Orendts Chef. Das Schönaicher Jugendhaus gehört zu denjenigen, die das Waldhaus betreut.

Faktisch wird die Jugend auf die Straße gesetzt

Jener viel versprechende Prozess wird jäh enden. Der Gemeinderat hat beschlossen, das Jugendhaus zu schließen – im Zweifel ersatzlos. Faktisch wird damit die Schönaicher Jugend nicht mehr von der Straße geholt, sondern auf die Straße gesetzt. „Das tut weh und ist nicht gewünscht“, sagt der Bürgermeister Tobias Heizmann, „aber wir können nicht anders.“

Die Gemeinde steckt in einer Zwickmühle, daran zweifeln auch Orendt und Groh nicht, auch wenn sie von dem Beschluss selbstverständlich wenig halten. Einerseits ist sie in der Pflicht, neue Kindergartenplätze zu schaffen, andererseits ist die Kasse gähnend leer. Ein Kindergarten-Neubau wäre unbezahlbar. Ein Suchlauf über alle Häuser im Eigentum der Gemeinde endete eben im Jugendhaus. Es ist das einzige Gebäude, das problemlos zu einem zweizügigen Kindergarten umgebaut werden kann. So wird es geschehen, wohl noch in diesem Jahr. Beschäftigte der Stadt sollen die Arbeit erledigen. Der Vertrag mit dem Waldhaus ist gekündigt. Orendt wird seinen Job verlieren, genauso wie die Jugendreferentin Petra Wolf.

„Als Sozialpädagoge muss man sich um einen Arbeitsplatz keine Sorgen machen“, sagt Orendt. Aber er sorgt sich um diejenigen, die er „die Kids“ nennt. Das sind nicht nur die 50, 60 Jugendlichen, die mehr oder minder regelmäßig ins Urwerk kommen und mit ihm über alle erdenklichen Sorgen sprechen, vom Liebeskummer bis zum Handyvertrag. Wolf und Orendt sind auch Schulsozialarbeiter und Streetworker. „Wer läuft in Zukunft in der Nacht rum und spricht Jugendliche an, wenn sie Dreck machen?“, fragt die Jugendreferentin.

Auch die Suche nach Ersatz hakt am Geldmangel

Darauf hat auch der Bürgermeister keine Antwort. Die Sozialdemokraten haben im Gemeinderat beantragt, dass die Verwaltung eilig mit der Suche nach einem Ersatz für das Jugendhaus beginnen möge. Was auch geschieht, wie Heizmann versichert. „Wir sind wacker dran, auch über die Sommerpause“, sagt der Bürgermeister. Das Kernproblem sei aber nicht, ein Haus zu finden, sondern eben die Finanznot. „Wir müssen auch den Personalaufwand reduzieren“, sagt Heizmann. Bisher sind rechnerisch 2,6 Stellen den Belangen der Jugend zugedacht. Künftig sollen es höchstens noch 1,5 sein.

Eine Möglichkeit, trotz Geldnot einen neuen Treffpunkt für die Jugend zu eröffnen, wäre eine Rückkehr in die Vergangenheit. Bis 2009 hatte ein Trägerverein an wechselnden Orten das Schönaicher Jugendhaus betrieben. Eine mögliche Nachfolge scheint nicht ausgeschlossen. Rund 40 Jugendliche waren ins Rathaus gekommen, als der Beschluss zur Schließung verkündet wurde. Getroffen hatten die Räte ihn unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Nun wollen die Urwerk-Besucher einen Jugendgemeinderat gründen. 20 Unterschriften waren nötig, um den entsprechenden Antrag im Rathaus einzureichen. So ist es in der baden-württembergischen Gemeindeordnung verankert, samt dem Satz: „Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen.“