Haltet den Zeitdieb – das ist die Botschaft der Kinder. Zustimmung bekommen sie sogar von Götz Werner, dem Gründer der Drogeriekette dm Foto: Georg Linsenmann

Zwingen moderne Zeiten Zeitmangel auf? Mit viel Kreativität haben darüber Kinder mit Prominenten diskutiert. Die Antwort auf die Frage fiel eindeutig aus.

S-Mitte - Etwas geknickt und lustlos abgestellt wirkt die Demo-Pappe, die den Ruf nach „Mehr Zeit“ propagiert. Der Eindruck täuscht, denn in den folgenden zwei Stunden sollten Kinder und Jugendliche mit ihren fantasiereichen Zeit-Spielen nicht nur wie nebenbei die Bühne erobern, sondern unsere im Zeichen des Burnout-Gebrummels stehenden Zeiten selbstbewusst ein wenig neu vermessen. Daran änderte auch kein Erwachsenenklagen über Termindruck vom Podium. Zumal der prominenteste der Diskutanten Zeitmangel als Argument nicht gelten ließ. Er heißt Götz Werner und ist Chef der Drogeriemarktkette dm.

Die Sechstklässler der Realschule Leinzell markierten mit dem ersten Beitrag gleich die beiden dicken Pole des Themas: Werden wir im Gebrauch der Zeit beherrscht und fremd bestimmt oder sind wir selbst „die Bestimmer“, wie schon kleine Kinder sagen?

Die Gruppe der „Bunten“ nimmt sich die Zeit für feines Triangel-Geklingel – und sie lässt den Tönen Zeit, nach deren eigenem Maß auszuschwingen. Dann aber zerhacken die „Schwarzen“ mit heftigen Trommelschlägen die Idylle der zweckfreien „Zeit-Verschwendung“, denn „Zeit ist Geld!“ Doch die Bunten kontern lässig: „Ach du liebe Zeit!“

Zeit zu verschenken

Worauf der Junge mit dem Bauchladen vortritt und reichlich Zeit verschenkt – auch ans Publikum: „Uns geht die Zeit niemals aus!“ Und damit Zukünftige dann, wenn wir selbst in ferner Zeit dunkle Vergangenheit sein werden, wissen, wie und womit wir diese Zeit verbracht haben, schickt die Berger Schule eine Zeitkapsel mit einschlägigen „Dokumenten“ ins All.

Genau der richtige Moment für Momo, das Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbringt. Also stehen 300 junge Leute im Parkett auf, geben in Nachtwächter-Manier eine chorische „Momo“-Kostprobe – und scheinen dabei die Erwachsenen in die Zange zu nehmen: „Hört Ihr Leut’ und lasst Euch sagen: Fünf vor Zwölf hat es geschlagen. Drum merkt und seid gescheit, denn man stiehlt Euch Eure Zeit.“

Dazu passen die eingespielten Bilder von der Kinderdemo vom Vortag, die nicht zuletzt zeigen: Kinder wollen ihre eigene Zeit haben – und sie fordern diese auch ein. Zeit zum Spielen, zum freien Spielen. Ein Motiv, das in vielen Beiträgen aufscheint. Und doch sind sie alle umstellt von Terminen, von massivem „Freizeit-Stress“, den ein Beitrag der Wilhelm Hauff-Schule thematisiert. Zeit fürs Podium. Zeit zur Entschleunigung? Höchstens in der privaten Nische, meint der Banker und nennt den Riesenknüppel unserer Tage: Globalisierung. Götz Werner hält dagegen: „Wenn wir uns entschließen zu entschleunigen, machen wir das. Wir haben Gründe dafür.“ Zeit setze er gleich mit Lebenszeit. Sein Rat: „Sich auf das Wesentliche konzentrieren.“

Kampf den Grauen Herren

Dass das einen hellen Kopf, Widerstandskraft, auch Können braucht, zeigten im Kampf gegen die Grauen Herren, der Zeitdiebe aus „Momo“, die Acht-Klässler des Einstein-Gymnasiums in einer eindrucksvollen Musik-Performance: „Freude, schöner Götterfunken“. Was also wollen wir mit unserer Zeit anstellen? Wäre Unendlichkeit wünschenswert? Gar eine Zeitmaschine? Schwierige Fragen. So sind die Antworten, die die jungen Leute im Hin- und Herwälzen der Zeit-Frage finden, gar nicht immer eindeutig – und gerade dadurch anregend.

Und wenn das alles dauert, merkt man, dass die Zeit wie im Fluge vergangen ist. Unerbittlich verrinnt sie in den Sanduhren vorn. Einmal muss Schluss sein. Nach zwei guten Stunden, die nichts weniger waren als eine schöne Zeit. Verbracht im Nachdenken, im Spiel mit der Zeit. Und von Zeitdieben war keine Spur. Ganz klar, wer hier Schirmherrin war: Momo, die sanfte Hüterin der Zeit. Der freien Zeit.