Künstler, Grafik- und Webdesigner, Ausstellungsmacher – und seit 2019 mit eigenem Programm im Galerienhaus Stuttgart dabei: Wie geht es weiter bei Jürgen Palmer?
Stuttgart - „Ich bin Maler.“ Jürgen Palmer legt ein wenig Nachdruck in den kurzen Satz. Was er auch war und oder auch ist: Kunstvermittler, Medienkünstler, Objektkünstler, Ausstellungsmacher, Grafik- und Webdesigner, Zeichenlehrer, Schauspieler, Bühnengestalter. Nur ein Wort mag er „nicht wirklich“: Galerist. Dabei organisiert er im Galerienhaus Stuttgart in der Breitscheidstraße seit drei Jahren auf einer Ebene mit Marko Schachers Raum für Kunst – vormals Galerie-Bühne für Palmers eigene Werke – sowie Hartmann Projects, Verlags- und Ausstellungsraum von Angelika und Markus Hartmann, im typischen Galerierhythmus Ausstellungen.
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Jürgen Palmer wählt seine Worte mit Bedacht. Mitunter scheint er ihrem Klang zu lauschen. „Ich möchte diese Erfahrung nicht missen“, sagt Palmer über das Konzipieren und Durchführen von inzwischen elf Ausstellungen im Galerienhaus – „aber ich bin kein Typ, der Dinge nur halb macht“. Und als Galerist, sagt Palmer, „muss der Anspruch sein, Künstlerinnen und Künstler aufzubauen, muss man das hohe Risiko eingehen, auf Messen präsent zu sein“. Letztendlich, sagt Palmer, sei das „nicht meine Welt“.
„Gemacht, was mich interessiert“
Und die vergangenen drei Jahre? „Ich habe Ausstellungen von Künstlerinnen und Künstlern gemacht, die mich interessiert haben“, sagt er. Zum Auftakt im März 2019 etwa unter dem Titel „Fluss und Gedächtnis“ die „Wiederaufführung“ einer malerischen Isar-Erwanderung von Kerstin Forster.
Bei Rudolf Schoofs studiert
1957 in Stuttgart geboren, studierte Jürgen Palmer von 1978 bis 1984 an der Stuttgarter Kunstakademie. Es ist die Zeit eines eigenwilligen Quartetts auf dem Weißenhof, die Zeit der Maler K.R.H. Sonderborg, Paul Uwe Dreyer und Rudolf Schoofs sowie des Objektkünstlers Jürgen Brodwolf. Palmer taucht in die Malklasse von Rudolf Schoofs ein, erlebt den Höhenflug der Schoofs-Klasse mit frühen Museums-Gastspielen.
Bewusste Gegenreaktionen
Schoofs’ erfolgreichen Städtebildern antwortet Palmer mit rüden Figurationen. „Darauf komme ich erst jetzt wieder zurück – aber ganz anders“, sagt er. Porträts zwischen Fratze und Comic sind im „Was soll’s“ überschriebenen Palmer-Panorama zu sehen.
„Station elf“ als Palmer-Panorama
Erstmals seit drei Jahren zeigt er im Galerienhaus seine eigenen Arbeiten. „Station“ nennt Palmer die Ausstellungsfolge, „Station elf“ macht ihn zum doppelten Akteur als Ausstellungsmacher („das habe ich immer gerne gemacht“) und Ausstellenden. Zu sehen? Sind, so heißt es offiziell, „Werke sehr unterschiedlicher Formate und scheinbar heterogener Stilistik (bei Palmer Programm)“. Da klingen Ausrufezeichen mit, die mit den Bildern wenig zu tun haben. Ob Porträthaftes, zeichenhafte Architektur oder gar ein Zoom eines Sportwagentraums der frühen 1960er Jahre – das absichtsvoll Banale verbindet die Werke, eine Distanz, die Ironie nur im gebotenen Ernst gelten lässt und die doch etwas anderes zulässt: Einsamkeit ohne einsam zu sein.
Über das Konzept zurück zur Malerei
Wie passen da die „No“-Bilder dazu, Werke, die das Wort „No“ in immer neuen Konstellationen wiederholen? „Das kommt aus der Zeit, als ich vor allem mit Video und Installationen gearbeitet habe“, sagt Palmer. Er habe sich ein Gerüst gesucht. Wie auch mit den „Centbildern“, Werken, in denen Folgen von Ein Cent-Stücken formaler Ausgangspunkt sind. „Ich habe konzeptuell gearbeitet, um mich der Malerei wieder anzunähern“, sagt er. Und dass auch sein Sohn dabei eine Rolle gespielt hat. „Als er in Düsseldorf in der Akademie angefangen hat“, sagt Jürgen Palmer, „das war schon auch ein Impuls für mich selbst“. Und auch dafür, Luc Palmer und einigen Studierenden der Düsseldorfer Akademie ein Forum zu bieten. Im Corona-Jahr 2020 fand „Station sechs“ statt. Der schöne Titel: „Verhandlungsbasis“.
Ist Ende 2023 Schluss?
Und wie wird es weitergehen? „Mein Mietvertrag hier im Galerienhaus läuft bis Ende 2023“, sagt Jürgen Palmer. Das sei dann seit 2019 insgesamt eine gute Zeitspanne, „um eventuell wieder aufzubrechen“. Wer ihn aber erlebt zwischen Ausstellungsraum und direkt anschließendem Atelier – selbst zugleich Büro, Lager und multimedialer Produktionsraum –, mag an ein Ende von Palmers Ausstellungsarbeit im Galerienhaus nicht wirklich denken.
Mehrdeutiger Ausstellungstitel
Und so kann man seinen eigenen Ausstellungstitel „Was soll’s“ durchaus doppelt lesen – einmal im Sinn von Was soll’s, ich höre auf, andererseits aber auch Was soll’s, ich mache weiter. Von 28. Mai an mit einer Präsentation zum Werk des katalanischen Malers José Bonell und von 17. September an mit einem Rückblick auf die Bild- und Gedankenwelt der 2020 in New gestorbenen Stuttgarter Malerin und Meeresbiologin Heike Neumeister.
Veränderung als Programm
Die kommenden Wochen bleibt der Ausstellungsraum von Jürgen Palmer Bühne des Malers Jürgen Palmer. „Ich werde immer mal wieder etwas verändern“, sagt er. „So wie bisher schon“. Grund genug, wiederzukommen. Zu einem, der auszieht, Konzept und Erzählung zu versöhnen.
Jürgen Palmer im Galerienhaus
Jürgen Palmer
ist 1957 in Stuttgart geboren. Zentrale Lehrerpersönlichkeit im Studium an der Kunstakademie Stuttgart 1978 bis 1984 ist der Maler Rudolf Schoofs. 1983 bis 2011 wirkt Palmer, seit 1990 auch als Grafik- und Webdesigner aktiv, als Schauspieler und Bühnengestalter an (Musik-)Theaterprojekten von Hans-Peter Jahn mit. 1998 begründet Palmer das Kunstvermittlungsprogramm Flex. Seit 2019 präsentiert er Ausstellungen im Galerienhaus (Di-Fr 14-18, Do 19–22 Uhr, reserviert für Privatbesuche nach Anmeldung, Sa 11-16 Uhr).
Galerienhaus Stuttgart
heißt eine 2005 eröffnete, fast 1500 Quadratmeter große Ausstellungsetage in Stuttgart-West (Breitscheidstraße 48). Seit 2019 agieren dort Hartmann Projects – Kunstbuchverlag und Ausstellungsraum von Angelika und Markus Hartmann, Marko Schacher mit seinem Raum für Kunst sowie Jürgen Palmer.