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In Dortmund brennt schon drei Wochen vor Weihnachten der Baum. Bei einer Veranstaltung am Montagabend stellte sich Trainer Jürgen Klopp der derzeitigen Krisensituation. Auch der ehemalige Dauerkonkurrent FC Bayern bekam dabei sein Fett weg.

Frankfurt/Main - Nach dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz ist es mit der Kuschelatmosphäre bei Borussia Dortmund vorbei. Sportdirektor Michael Zorc spricht schon vom „Abstiegskampf“, Kult-Trainer Jürgen Klopp spürt erstmals Gegenwind und muss sich unangenehmen Fragen nach seinem Job stellen. „Ich sehe mich hier total in der Verantwortung und stelle mich dem. Ich stehe ganz bestimmt nicht im Weg, aber ich kann auch nicht gehen, bevor es eine bessere Lösung gibt“, bekräftigte Klopp trotz des deprimierenden 0:2 bei Eintracht Frankfurt seinen Willen zum Weitermachen.

Freiwillig aufgeben will der 47-Jährige, der mit einem Vertrag bis 2018 ausgestattet ist, nicht. Das bekräftigte Klopp am Montagabend bei einer Veranstaltung in Frankfurt. „Ich bin ganz oder gar nicht. Ich bin in diesem Moment Borussia Dortmund“, sagte er. So lange der Verein das auch wolle, stehe er komplett in der Verantwortung: „In guten wie in schlechten Zeiten.“

Klopp zeigte Verständnis für den Unmut der Dortmunder Fans: "Ich verstehe total die Kritik, das ist menschlich. Auch die Pfiffe verstehe ich. Sie sind völlig normal. Nur: Jeder, der pfeift, muss sich hinterfragen, ob es einem hilft, wenn er gerade eine Prüfung verhauen hat, dass dann jemand kommt und sagt: Du bist zu doof, um in den Schnee zu ...! Peitschenknallen hilft nichts. Das würde bei mir auch nicht helfen. Nichtsdestotrotz fühlt sich die Situation katastrophal an. Braucht kein Mensch."

"Sammer fehlt bei Borussia Dortmund niemandem"

Und dann konnte sich Klopp die eine oder andere Breitseite gegen den FC Bayern München nicht verkneifen. "Wer nur Erfolg haben will, hat nur eine Chance: Bayern-Fan zu werden. Soll er damit glücklich werden", sagte der BVB-Trainer in Richtung der Fans, die nicht mit Niederlagen umgehen können.

Und auch Klopps "Lieblingsfeind", Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer, bekam sein Fett weg. Als ein Besucher der Veranstaltung erwähnte, dass Dortmund jetzt ein Typen wie Sammer guttun würde, ließ Kloppos Antwort nicht lange auf sich warten: "Der fehlt bei Borussia Dortmund niemandem. Entschuldigung, aber diese Vorlage musste ich nutzen!“

Auf Twitter sorgte Jürgen Klopp mit seinen Aussagen für ein geteiltes Echo. Manche User stehen felsenfest hinter dem BVB-Trainer:

Andere wiederum sehen Klopps aussagen eher kritisch:

BVB-Sportdirektor Michael Zorc wollte eine Trainerdiskussion gar nicht erst aufkommen lassen. „Jürgen stellt sich der Verantwortung. Wir sind einhundertprozentig davon überzeugt, dass wir mit ihm aus der Situation herauskommen“, sagte er.

Nach acht Niederlagen in der Fußball-Bundesliga, so viele wie nie zuvor am 13. Spieltag, und ersten Unmutsbekundungen der eigenen Fans mochte Zorc die Situation allerdings nicht mehr schönreden: „Es geht jetzt nur darum, bis Weihnachten möglichst viele Punkte zu holen, um die Abstiegsplätze zu verlassen. Alles andere wäre Schönfärberei.“ Der Sportchef fordert deshalb ein entsprechendes Umdenken bei allen Beteiligten: „Wir sind mitten im Abstiegskampf angekommen, das muss jedem klar sein. In den letzten Wochen hat man immer noch geschaut, wie sind die Abstände nach oben. Damit ist seit dem heutigen Spiel endgültig Schluss.“

Die Profis scheinen den Ernst der Lage erkannt zu haben. „Wir haben uns die Scheiße selbst eingebrockt und kein anderer! Wir als Team haben versagt und als Team müssen wir daraus kommen!“, schrieb Kevin Großkreutz am Montag im Internet-Portal Instagram. Der Weltmeister appellierte an die Fans, der Mannschaft die Treue zu halten: „Wir brauchen euch dafür, ansonsten wird es so, wie in manch anderen Vereinen, die auch nie damit gerechnet haben, da unten mal zu stehen und da nicht mehr raus kommen!“

Zum wiederholten Male gelang es nicht, den Trend umzukehren, weil die Hessen schon mit der ersten gefährlichen Aktion zur Führung durch Alexander Meier (5. Minute) kamen. Das zweite Gegentor, bei dem Matthias Ginter ungewollt für Eintracht-Stürmer Haris Seferovic (78.) auflegte, gehörte für Klopp sogar ins „Kuriositätenkabinett“.

Dortmund muss den Abstiegskampf annehmen

Erneut war unübersehbar, dass es beim BVB hinten wie vorne klemmt. Die Ausfälle der Innenverteidiger Mats Hummels und Sokratis sind nicht zu kompensieren, und die Offensivabteilung hat viel zu oft Ladehemmung. „Wir leisten tatkräftige Unterstützung bei den Gegentoren. Auf der anderen Seite nutzen wir unsere Chancen nicht. Die eklatanten Fehler sind in einer Häufung aufgetreten, dass wir jetzt 18. sind“, stellte Zorc genervt fest.

Nun müssen die erfolgsverwöhnten Dortmunder den Abstiegskampf annehmen. Ob sie dazu fähig sind, ist fraglich. Denn rustikal passt längst nicht mehr zum BVB, der seit Jahren auf technisch hochklassigen Tempo-Fußball setzt. „Wir sind keine Mannschaft, die sich nur hinten reinstellt“, meinte Zorc. „Aber wir haben jetzt 21 Gegentore. Die haben wir schon mal in einer ganzen Saison bekommen. Da musst du über nichts anderes mehr diskutieren.“

Schon am Freitag wartet gegen 1899 Hoffenheim eine diffizile Aufgabe. Zumal sich die Dortmunder der rückhaltlosen Unterstützung ihrer Fans nicht mehr sicher sein können. Die Pfiffe und Buhrufe in Frankfurt waren ein deutliches Indiz, dass die Stimmung unter den BVB-Anhängern kippt. „Dass wir uns das Vertrauen zurückerarbeiten müssen, ist mir völlig klar“, kommentierte Klopp die lautstarken Äußerungen. Beirren lassen will er sich davon jedoch nicht: „Wir müssen daran arbeiten, dass die Mannschaft weiter an sich glaubt. Wenn es keiner im Umfeld mehr tut, müssen wir das ganz alleine für uns machen.“

Und dass Klopp seinen Humor noch nicht verloren hat, zeigt er mit der Aussage in Richtung des nächsten Gegners Hoffenheim: "In der Vergangenheit haben wir denen durch ein mieses Spiel den Klassenerhalt geschenkt. Ich hoffe, die erinnern sich daran.“