Die ehemalige Dorfkirche an der Ortsdurchfahrt in Jebenhausen beherbergt das jüdische Museum. Foto: Horst Rudel

Die Stadt investiert 280 000 Euro in die Erneuerung der Schau im Jüdischen Museum. Die Stadträte sind von dem Konzept begeistert, das vor allem die Bewohner der einst größten jüdischen Gemeinde Württembergs in den Fokus rückt.

Göppingen - Es gebe viele neue Forschungsergebnisse und auch viele neue Möglichkeiten, Wissen auf spannende Weise zu vermitteln, sagt der Göppinger Stadtarchivar Karl-Heinz Rueß. Deshalb, und weil im Jüdischen Museum in Jebenhausen ohnehin einiges renoviert werden muss, soll die Ausstellung im Herbst kommenden Jahres für rund 280 000 Euro komplett überarbeitet werden – pünktlich zum 25-jährigen Bestehen des Museums.

Den Sozialausschuss des Gemeinderats hat Rueß mit seinem Konzept bereits überzeugt, die endgültige Zustimmung am 12. Mai scheint nur noch eine Formsache zu sein. Im Ausschuss schwärmten die Stadträte von der „Strahlkraft des Museums“, die weit über Göppingen hinausreiche (Christine Lipp-Wahl, Grüne). Es sei sehr gut, dass das Museum nun auf den Stand der Zeit gebracht werde, sagte Heidrun Schellong (SPD) und Rudolf Bauer (FWG) wünschte Rueß einen ebenso großen Erfolg wie mit dem Umbau des Städtischen Museums im Storchen.

Viel zu sehen für Schulklassen

Einige Stadträte träumen bereits davon, dass die neue Ausstellung im Verein mit dem geplanten Erinnerungsweg zahlreiche Schulklassen in den Göppinger Stadtteil locken wird. Wenn erst das geplante Märklin-Museum in der Stuttgarter Straße fertig sei, ergebe das ein spannendes Programm für einen kompletten Wochenendausflug, frohlockte etwa Felix Gerber (CDU).

Dem Konzept zufolge wird es zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte sowie Film- und Tonbandaufnahmen geben, auch die Schicksale einzelner Menschen bekommen einen größeren Raum. Einen wichtigen Teil der neuen Schau soll die Zeit nach 1945 und die Aufarbeitung der Verbrechen der Nazis in Göppingen ausmachen. Es wird um den Prozess gegen die Männer gehen, die Göppingens Synagoge in Brand gesteckt haben und um Untersuchungen, wer für die Deportation der Juden verantwortlich war.

Schicksale und Menschen, die Verfolgten halfen

Auch die Geschichte des in Göppingen hoch angesehen Apothekers Victor Capesius wird erzählt. Er hatte als SS-Führer die Lagerapotheke im KZ Dachau und dem KZ Auschwitz geleitet und war an Kriegsverbrechen in Auschwitz beteiligt.Im Jahr 1965 wurde er im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt. Als er nach Göppingen zurückkehrte wurde er von den Bürgern mit großer Begeisterung empfangen.

Unter der Rubrik „Lebensschicksale“ wird die Ausstellung zeigen, wie der Antisemitismus in den 20er Jahren in Göppingen und Jebenhausen immer mehr überhand nahm. Aber auch, wie sich Menschen der Barbarei entgegenstellten. So wird die berühmte Schlacht am Walfischkeller 1922 thematisiert, bei der sich Nazis und Kommunisten mehrere heftige Schlägereien lieferten. Es wird von dem Feuerwehrkommandanten Keuler erzählt, der die brennende Synagoge löschen wollte, aber daran gehindert wurde, und von Gebhard Müller, der nach dem Krieg Württembergs erster Staatspräsident wurde. Auch er versuchte damals, die Synagoge zu retten und sagte im Prozess gegen die Täter aus.

Abenteuerliche Flucht und Erinnerungen auf Tonband

Bilder zeigen die abenteuerliche Flucht der Kinder der Familie Frankfurter. Ein Pfarrer und eine Diakonisse fuhren sie mit dem Auto bis Genua, von dort ging es per Schiff nach Palästina. Auf Tonbandaufnahmen erzählt Werner Ottenheimer von seiner Flucht nach Kuba als junger Mann und wie er dort schließlich festsaß. Der Göppinger Stadtarchivar Rueß pflegte viele Jahre lang einen Austausch mit Ottenheimer, dessen Familien seit Generationen in Jebenhausen gelebt hatte. Er hat für Rueß eine Kassette mit der Geschichte seines Lebens besprochen – im besten 30er Jahre Jebenhausener Schwäbisch.

Ein Spaziergang durch die Geschichte

Göppingen - Einst gab es in Jebenhausen eine Synagoge, eine jüdische Schule, einen jüdischen Friedhof und natürlich die Wohnhäuser der armen und reichen Juden. Heute ist die Geschichte vieler dieser Gebäude und ihrer Bewohner nur noch Eingeweihten bekannt. Der Verein Haus Lauchheimer will das ändern. Für rund 54 000 Euro schafft er einen Erinnerungsweg, der Besuchern von der Geschichte der Juden im Ort erzählt. Die Stadt bezuschusst das Projekt voraussichtlich mit 27 000 Euro. Im Herbst 2017 soll der Weg zusammen mit der neuen Ausstellung im Museum fertig gestellt sein.

Kammersänger, Hitler-Attentäter, Nobel-Preisträger

Die Planungen für den Erinnerungsweg sind schon weit gediehen: An neun Stationen werden mit Infotexten auf Glasstelen wichtige Gebäude und ihre Bewohner der jüdischen Gemeinde vorgestellt. Außerdem gibt es dort jeweils Hintergrundinformationen zu Themen rund um das Judentum. Der Weg beginnt am Schloss, dort beginnt die Geschichte der Juden in Jebenhausen: Die Ortsherren, die Freiherren von Liebenstein, begannen im 18. Jahrhundert, Juden anzusiedeln – in Württemberg war eine so große Ansiedlung damals beispiellos. Die Schutzbriefe, die den rechtlosen Juden erlaubten, sich niederzulassen, wurden im Schloss unterzeichnet.Die nächste Stele berichtet, wie aus der Dorfkirche in den 80er Jahren das jüdische Museum wurde. Eine Station ist neben dem Feuerwehrmagazin. Dort befand sich bis 1905 die Synagoge. Als immer mehr Juden wegzogen, wurde das Gebetshaus aufgegeben.

Für viele neu wird auch die Geschichte des Gasthofs König David an Station sieben sein, der heute nicht mehr erhalten ist. Er war die erste koschere Gaststätte im Ort. Dort wurde der Kammersänger Heinrich Sontheim geboren, dessen späteres Wohnhaus, die Villa Wieseneck, ebenfalls auf dem Weg liegt. Noch weitere jüdische Jebenhäuser werden erwähnt: Elsa Härlen, die mit dem Hitler-Attentäter Georg Elser befreundet war und Pauline Koch, die Tochter eines Jebenhäuser Bäcker-Paares. Sie hat den Ulmer Kaufmann Herrmann Einstein geheiratet. Ihr Sohn Albert wurde 1879 in Ulm geboren.