Barbara Traub, Gila Lustiger, Esther Schapira, Elisa Klapheck und Sergey Lagodinsky (von links) bei der Eröffnung der Jüdischen Kulturwochen Foto: Oliver Willikonsky/Lichtgut

Das Interesse an den Veranstaltungen der 15. Stuttgarter Jüdischen Kulturwochen ist groß. Der Publizist Sergey Lagodinsky rief dazu auf, den persönlichen Kontakt zwischen Juden und Nichtjuden zu stärken. Grund zur Sorge bereitet der immer offener gezeigte Antisemitismus.

Stuttgart - Die 15. Jüdischen Kulturwochen in Stuttgart finden in diesem Jahr vor dem Hintergrund gleich zweier bedeutender Daten statt: Vor 80 Jahren ereignete sich in Deutschland die Reichspogromnacht, und vor 70 Jahren schlug die Geburtsstunde des Staates Israel.

Die beiden Ereignisse schlagen sich auch im Programm der Kulturwochen nieder: So ist im Rathaus die Ausstellung „1948“ zu sehen, die an die Anfänge Israels erinnert. In vielen Stuttgarter Schulen steht außerdem ein Erinnerungsprojekt auf dem Stundenplan, in dessen Rahmen sich Schüler mit den gewaltsamen Ausschreitungen von 1938 auseinandersetzen.

Der Blick zurück dominiert die Agenda aber keineswegs. Im Gegenteil: „Aktuelle Herausforderungen für das europäische Judentum“ lautet das Motto. Die Bandbreite der Veranstaltungen ist riesig, geboten sind unter anderem Synagogenführungen, Vorträge, Konzerte, Gedenk- und Kabarettveranstaltungen sowie Quartiersführungen. Das große Interesse und die vielen Anmeldungen für die Veranstaltungen deutet die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), Barbara Traub, als Zeichen der Wertschätzung für die jüdische Gemeinde. Und die sei gerade jetzt wichtig angesichts des wieder erstarkenden Antisemitismus in Deutschland und Europa, sagte sie am Montag bei der Eröffnung der Kulturwochen im Rathaus.

Antisemiten zeigen ihren Hass offener als früher

Laut Staatsministerin Theresa Schopper erreicht die Judenfeindlichkeit mittlerweile höchste europäische Regierungsämter. Durch die Kulturwochen könne man dem entgegentreten. „Gegen Hetze und Verblendung hilft nur Dialog“, so Schopper, die beteuerte, dass der Schutz jüdischen Lebens für Ministerpräsident Winfried Kretschmann Staatsräson sei.

Die kommenden Tage könnten Verständnis für jüdische Kunst, Musik und Literatur schaffen, sagte Mark Dainow, Vize-Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Sie können aber auch Verständnis schaffen im Sinne der Empathie für das Anliegen der jüdischen Gemeinschaft.“ Leider nehme Antisemitismus auch in Deutschland zu. Trotzdem dürfe man nicht die große Leistung vergessen, die darin bestehe, 80 Jahre nach der Reichspogromnacht wieder jüdisches Leben in Deutschland geschaffen zu haben, sagte Mark Dainow. Er plädierte für einen deutschen Staat, der solidarisch an der Seite Israels stehe vor allem dann, wenn andere das Land anfeindeten.

Der in Berlin lebende Jurist und Publizist Sergey Lagodinsky rief dazu auf, den persönlichen Kontakt zwischen Juden und Nichtjuden zu stärken. Denn im Vergleich zur Vielzahl der offiziellen Erinnerungs- und Gedenkveranstaltungen gebe es diesen noch zu selten.

Lagodinsky zufolge ist die Zahl der Antisemiten in Deutschland zwar nicht gestiegen, dafür zeigten sie ihren Hass heute offener als früher. Das Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde in Berlin rät orthodoxen Juden, ihre Religionszugehörigkeit in bestimmten Bezirken der Hauptstadt nicht kenntlich zu machen, um Übergriffe zu vermeiden. „Das gehört zur neuen Realität“, so Lagodinsky.

Mehr Informationen zum Programm findet man unter www.irgw.de/kulturwochen.